
›Durch den EU-Beitritt verlor Ungarn seine Souveränität allerdings nicht‹
von Gunter Weißgerber
Die Idee der Europäischen Union als einer Interessengemeinschaft gleichwertiger europäischer Staaten ist faszinierend und steht in der Praxis seit dem Pariser Vertrag/Montanunion von 1951 für Prosperität, Erfolg und Anziehungskraft. War sie bis 1989 eine aus mittelosteuropäischer Sicht ein schier unerreichbarer Sehnsuchtsort der Achtung der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, der sozialen Marktwirtschaft, so tragen seit ihren Beitritten viele mittelosteuropäische Nationen und Staaten mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen zum weiteren Gelingen der Europäischen Union bei. Die heutige Europäische Union verfügt über einen Erfahrungsschatz, der aus unzähligen Befreiungskämpfen und sehr verschiedenen Emanzipationserfahrungen seit der Antike besteht.
von Herbert Ammon
Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Wolfgang Huber, ist fraglos einer der besten Kenner der Schriften des Märtyrer-Theologen Dietrich Bonhoeffer. Das vorliegende Buch ist als Porträt, sprich: als zeitlos gültiges Bild Bonhoeffers, nicht primär als Biografie konzipiert. Gleichwohl kommt die Biografie nicht zu kurz. Besonders ansprechend erscheint – neben dem zweiten Kapitel ›Bildungswege‹ – das vorletzte Kapitel ›Polyphonie des Lebens‹, in dem der Autor die Rolle der Musik im Leben Bonhoeffers behandelt. Aufgewachsen in kulturprotestantischem Milieu, in großer Familie mit einem agnostischen Vater und einer frommen Mutter, entschied sich Bonhoeffer bereits als Konfirmand für die Theologie.Trotz hoher Begabung und Perfektion als Pianist kam für den jungen Bonhoeffer eine Karriere als Musiker jedoch zu keiner Zeit in Frage.
von Johannes R. Kandel
Manfred Gailus, zuletzt apl. Professor für Neuere Geschichte an der TU Berlin, ist ein ausgewiesener Experte der evangelischen Kirchengeschichte im Nationalsozialismus. Jahrzehntelang hat er sich mit dem Verhältnis von Religion, Kirchen und Nationalsozialismus befasst und zahlreiche einschlägige Publikationen vorgelegt (Habilitation 1999 über ›Protestantismus und Nationalsozialismus‹).
Er fasst Erkenntnisse seiner langjährigen Forschungen zusammen, greift neuere Beiträge auf und präsentiert in Gläubige Zeiten ein faszinierendes Panorama von ›Religiosität im Dritten Reich‹, oder, wie er – personalisierend – sagt, der »Hitlerzeit« (S.9). Der mit dem Thema nicht vertraute Leser mag es seltsam oder gar irreführend finden, von ›Religiosität im Dritten Reich‹ zu sprechen: War der Nationalsozialismus nicht eine durch und durch säkulare, antichristliche Weltanschauung? Wurden die christlichen Kirchen nicht bekämpft? War es nicht sogar das langfristige Ziel einer Reihe führender Nationalsozialisten, das Christentum nach dem Krieg ›auszumerzen‹? So treffend diese Beobachtungen auch seien mögen, Gailus zeigt auf, dass es eine Verschränkung von christlichen Traditionen und nationalsozialistischen ›Bekenntnissen‹ gab. Religiöse Menschen, die den Nationalsozialismus bejahten und/oder NSDAP-Mitglieder waren, konnten an den überkommenen Traditionen des Christentums festhalten und in der Kirche bleiben (›Christliche Nationalsozialisten‹). Oder sie konnten auch aktiv eine Umdeutung des Christentums im Sinne des Nationalsozialismus anstreben, wie die ›Deutschen Christen‹ schon vor 1933 (›Nationalsozialistische Christen‹). Oder sich auch der Konstruktion eines nationalsozialistischen ›Deutschen Glaubens‹ widmen, den ›Gott Deutschland‹ und den ›Messias Hitler‹ verehren (›Deutschgläubig‹). Diese nationalsozialistisch-religiöse Gemengelage wird in der Forschung gelegentlich als »religiöser Doppelglaube«, »multiple Gläubigkeit« oder »hybride Doppelgläubigkeit« bezeichnet. (S.10). Der Nationalsozialismus war nicht, wie Gailus eindrucksvoll darlegt, eine »Zeit beschleunigter Säkularisierung (…), sondern vielmehr eine Epoche, die im Zeichen der Rückkehr des Religiösen stand« (S. 185).
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