
von Markus C. Kerber
Dass die unbedingten Unterstützer der EZB aus Nah und Fern mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5.5.2020 ihre Schwierigkeiten haben würden, konnte man leichthin voraussehen. Zu sehr hatte sich der Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg, Dr. Schmieding, bereits im Vorfeld auf eine Einordnung des verfassungsgerichtlichen Urteilsspruchs festgelegt. In einer Notiz vom 28.4.2020 meinte Schmieding zu wissen, dass es der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts – trotz der kritikbetonten mündlichen Verhandlung vom 30.7./31.7.2019 – bei einer restringierenden Handhabung des PSPP Programms in seinem Urteil belassen würde.
Nach dem unerwarteten Urteilsspruch 5.5.2020 hatte Schmieding am Tag danach sofort eine Lösung parat. Es läge alles nur an der Kommunikation. Die EZB müsse ihre Analysen und Politikvorschläge besser kommunizieren. Dass in keinem der dem PSPP Programm zugrunde liegenden Beschlüsse auch nur ansatzweise eine ökonomische Analyse oder Bewertung zu finden ist, war Schmieding scheinbar nicht aufgefallen. Noch bemühter um eine wogenglättende Interpretation des Karlsruher Urteilsspruchs war die Reaktion von Stefan Bielmeier. Bielmeier, Chefökonom der DZ Bank und immerhin Vorsitzender des wichtigen Berufsverbandes DVFA, ließ sich von der FAZ damit zitieren, er meine, die EZB würde zur Verhältnismäßigkeit des PSPP Programms Begründungen nachliefern: »Ich glaube, dass die EZB konstruktiv mit dem Urteil umgehen wird.«
Das Bundesverfassungsgericht hat den europäischen Institutionen seine Macht vorgeführt. Aber die operativen Folgen seines Urteils vom 5. Mai über die EZB-Anleihekäufe bleiben ungewiss.
Im Verlauf der zahlreichen Eurorettungsmaßnahmen wurde die Geduld des Bundesverfassungsgerichts häufig auf die Probe gestellt. Im Ergebnis winkte es alle Programme durch, sogar das OMT-Programm – und zwar trotz offenkundiger Zweifel an der Rechtmäßigkeit des EuGH-Urteils von 2015. So wurde das Urteilsmuster »Ja, aber« gemeinsamer Bestandteil nahezu aller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in Euro-Fragen. Immerhin ging diese Zustimmung zu den unterschiedlichen Eurorettungsoperationen einher mit dem Postulat strenger Bedingungen: Alle Rettungsoperationen, die auf die Haushaltsrechte Einfluss haben würden (haushaltsrechtlicher Einschlag), mussten die finanzielle Inanspruchnahme Deutschlands absehbar begrenzen und zuvor dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden. Andernfalls konnten sie nicht wirksam werden.
von André Soudah
Die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen von 2015 wirken bis heute auf die Menschen in Europa. Vor allem die Angst eines Kontrollverlustes des Staates sitzt tief; insbesondere in Deutschland.
Weiterhin hat keine Regierung – insbesondere in Mittel- und Nordeuropa – ein Mandat von ihren Wählern bekommen, Menschen, die ein besseres Leben führen wollen, aufzunehmen. Das wissen auch die Länder in Südosteuropa. Dass das Migrations- und Flüchtlingsthema aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass Deutschland und Europa zweifelhafte Vereinbarungen mit teils zweifelhaften Regierungen im Nebel des Syrienkonfliktes eingegangen sind. Dafür wurde im wahrsten Sinne des Wortes ein hoher Preis gezahlt. In Form von Geld, Menschenleben und, dass wird oft vergessen, um den Preis der Erpressbarkeit. Der Syrienkonflikt ist weitestgehend befriedet, der Preis wird weiterhin bezahlt.
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