von André Soudah

Die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen von 2015 wirken bis heute auf die Menschen in Europa. Vor allem die Angst eines Kontrollverlustes des Staates sitzt tief; insbesondere in Deutschland.

Weiterhin hat keine Regierung – insbesondere in Mittel- und Nordeuropa – ein Mandat von ihren Wählern bekommen, Menschen, die ein besseres Leben führen wollen, aufzunehmen. Das wissen auch die Länder in Südosteuropa. Dass das Migrations- und Flüchtlingsthema aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass Deutschland und Europa zweifelhafte Vereinbarungen mit teils zweifelhaften Regierungen im Nebel des Syrienkonfliktes eingegangen sind. Dafür wurde im wahrsten Sinne des Wortes ein hoher Preis gezahlt. In Form von Geld, Menschenleben und, dass wird oft vergessen, um den Preis der Erpressbarkeit. Der Syrienkonflikt ist weitestgehend befriedet, der Preis wird weiterhin bezahlt.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Europäischen Staaten im Großen und Ganzen darauf verständigt haben, die EU Außengrenzen, Stichwort Frontex, zu sichern und gegen Schlepper vorzugehen. Der kleinste gemeinsame Nenner lässt grüßen.

Vom Elend der Menschen bekommen wir durch die Bilder an der griechisch-türkischen Grenze erstmals wieder etwas mit. Erinnerungen werden wach. Anfangs die Bilder von der sogenannten Westbalkanroute, dem Budapester Keleti-Bahnhof und dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales – später die Bilder von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer verdrängt. Dass der noch größere Teil der Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, in der Wüste verelendet, ist vielerorts gar nicht erst bekannt. Ebenso die Bilder aus den Flüchtlingslagern. Wie auch? Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen müssen oftmals an diesen Orten selbst um Ihr Leben fürchten. Auch das ist ein Preis, der gezahlt wird.

Nun könnte man auch zu der Erkenntnis kommen, dass der aktuelle Konflikt um Idlib gezielt von der Türkei genutzt wird, um weitere Zahlungen zu erhalten. Das wäre in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation der Türkei und der bereits angesprochenen Befriedung des Syrienkonfliktes durchaus plausibel. Sollen es doch vor allem Menschen aus Afghanistan und dem Iran sein, die an der Grenze ausharren. Richtig ist aber auch, dass die Zahlungen der EU an die Türkei erst nach Fertigstellung einer Maßnahme (die einzelnen Projekte siehe: https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/facility_table.pdf ) gezahlt werden. Von 6 Mrd. sind daher erst 3,2 Mrd. ausgezahlt worden. Die finanziellen Hilfen sind Ende 2019 ausgelaufen. Über das Datum hinausgehende Vereinbarungen hat es bisher nicht gegeben. Das liegt vor allem an der EU und eben nicht an der Türkei.

Substanziell hat die Europäische Union bis dato zu diesem Thema keinen Schritt vorwärts gemacht. Ein gemeinsames europäisches Asylsystem existiert weiterhin nicht. Die Dublin-III-Verordnung ist schlecht für die Europäischen Staaten mit Außengrenze. Ein Verteilungsschlüssel muss scheitern, wenn auch diejenigen verteilt werden, die keine Aussicht auf Asyl haben. Umso mehr muss daher die Außengrenze gesichert werden. Die türkische Regierung nutzt geschickt ihre Möglichkeiten.

Innenpolitisch stehen auf der einen Seite schon wieder die Scharfmacher bereit. Auf der anderen Seite die, die demonstrieren, damit die Bundesrepublik (wieder) Schutzbedürftige aufnimmt. Gemein ist beiden Seiten, dass weiterhin nicht zwischen Asyl (Genfer Konventionen), Kriegsflüchtlingen (Schutz auf Zeit) und Einwanderern (Bedingungen müssen erfüllt sein) unterschieden wird. Aber genau daran lässt sich unser Rechtsstaat messen; ob er seine eigenen Regeln einhält und sich an internationale Vereinbarungen hält. Eben auch im Interesse derer, die zu uns kommen wollen und die wir dringend – im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte – brauchen.

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