von Johannes R. Kandel

Islamapologetik und Islamkritik

Die Literatur zum Islam füllt weltweit Bibliotheken. Es ist nicht verwegen zu sagen, dass die überwiegende Zahl der Publikationen vermutlich dem Genre ›Apologetik‹ zugerechnet werden kann, allein schon aufgrund der unablässigen Propagandatätigkeit der saudi-arabisch gesteuerten ›Islamischen Weltliga‹ (Rābiṭat al-ʿālam al-islāmī). Das Literaturformat ›Islamkritik‹ nimmt sich dagegen, vorsichtig formuliert, sehr bescheiden aus, seien es ›populistische‹ Auseinandersetzungen mit dem Islam, besonders in den sozialen Medien, seien es wissenschaftliche Analysen zu einem breiten Themenspektrum. Dafür gibt es m. E. einen besonders hervorstechenden Grund: Zahlreiche Anhänger dieser Weltreligion reagieren überaus empfindlich auf jedwede Kritik an den Lehren und Kulturen des Islam. Insbesondere ihr ›Prophet‹ Mohammed genießt, gewissermaßen als ›Säulenheiliger‹, besonderen Kritikschutz. Deshalb ist Kritik am ›Propheten‹ in einigen islamischen Staaten auch ein todeswürdiges Verbrechen.

Wie wir allerspätestens seit der Ermordung des niederländischen Autors und Filmemachers Theo von Gogh 2004 und dem dänischen ›Karikaturenstreit‹ 2006 wissen, sind auch in Europa Anhänger des Islam bereit, Kritiker physisch zu vernichten. Der barbarische Mord an dem französischen Geschichtslehrer Samuel Paty hat das gerade noch einmal in brutaler Deutlichkeit unterstrichen. Es ist deshalb nicht übertrieben, festzustellen, dass derjenige, der es wagt, den Islam zu kritisieren, ein hohes persönliches Risiko eingeht. Der Autor des vorliegenden Buches, Ruud Koopmans, scheut das Risiko nicht. Koopmans ist Soziologe und mit einschlägigen Forschungen zu Migration und Integration bekannt geworden. Er ist zurzeit am Wissenschaftszentrum (WZB) und der Humboldt-Universität in Berlin tätig. Er beeilt sich auch gleich, potentieller Kritik an seinem Buch vorzubeugen, indem er versichert, sein Werk sei zwar ›islamkritisch‹, aber nicht ›islamfeindlich‹“ (S.9). Ich fürchte aber, dass die von ihm in erster Linie kritisch in den Blick genommenen islamischen ›Fundamentalisten‹ für solche feinen Unterschiede keinerlei Verständnis haben werden. Er bekennt, dass »vielleicht sein stärkstes Motiv, dieses Buch zu schreiben ... das große Desinteresse an der erschütternden Unterdrückung von religiösen Minderheiten, Glaubensabtrünnigen und Atheisten, Frauen und Homosexuellen in der islamischen Welt« gewesen sei (S. 11).

Warum ist das Haus des Islam verfallen? Hauptgrund: Fundamentalismus

Die Ursachen derartiger Zustände in der islamischen Welt, versucht Koopmans unter Verweis auf Stagnation und Rückschrittlichkeit des Islam gegenüber der westlichen Welt herauszuarbeiten. Für das Zurückbleiben des Islam in puncto Menschenrechte, Demokratie und offene Gesellschaft seit mindestens fünfzig Jahren nennt er als »Hauptgrund« den »Aufstieg des islamischen religiösen Fundamentalismus« (S. 22). Es ist nicht selbstverständlich und deshalb sehr verdienstvoll, dass ein Sozialwissenschaftler als Erklärungsfaktor für die Rückständigkeit des Islam die Religion ins Zentrum rückt und seine These mit empirischen Belegen zu untermauern sucht. Entgegen zahlreichen ökonomischen, technologischen, politischen und kulturellen Erklärungsansätzen, widmet sich Koopmans einer religiösen Variante des Islam, dem Fundamentalismus, als dem Hauptfaktor für die Unfähigkeit des Islam, die notwendigen flexiblen Anpassungsleistungen für die gesellschaftliche Entwicklung islamischer Gemeinwesen zu erbringen. Es ist gleichwohl schon ein kühner Anspruch, dies für die gesamte islamische Welt belegen zu wollen, die in ethnischer und religiös-kultureller Hinsicht kein Monolith ist, worauf der Autor selbst aufmerksam macht (S. 46f.). Davor müsste noch geklärt werden, ob es möglich ist, eine allgemeine, über alle religionsgeschichtlich bestimmbaren Religionen hinausgreifende Definition von ›Fundamentalismus‹ zu bilden. Die von Koopmans präsentierte religionssoziologische/religionspsychologische Definition enthält zweifellos Kernelemente von Fundamentalismus: Glaube an die absolute Wahrheit gesammelter religiöser Lehren über Gott und Menschheit, die es unbedingt zu befolgen gilt und deren Feinde (die Mächte des Bösen) bekämpft werden müssen. (S. 34). Ob dies tatsächlich für alle Religionen gilt, muss aufgrund fehlender religionsgeschichtlicher Vergleiche offenbleiben, dürfte aber für Christentum, Judentum und Islam weitgehend zutreffen. Die von Koopmans zusammengeführten Daten aus dem »World Values Survey«, der »Pew Research« und eigenen Forschungen weisen darauf hin, dass Fundamentalismus in spezifischen, aber zentralen Ausdrucksformen wie Intoleranz und Gewaltbereitschaft im »real existierenden Islam« (S. 43ff.) signifikant häufiger als in anderen Religionen zu finden ist. Als empirisch arbeitender Sozialwissenschaftler will sich Koopmans allerdings nicht auf theologische Fragen und Textexegesen einlassen, weil, wie er feststellt, Grundtexte der drei Weltreligionen »mehrdeutige Quellen« sind, aus denen »Gläubige friedliche oder gewalttätige, hasserfüllte oder liebevolle Zitate entnehmen können…« (S. 45). Diese theologische Abstinenz mag für einen empirisch arbeitenden Religionssoziologen verständlich sein, hat aber eine fatale Wirkung. Sie bestärkt alle jene, die Gewalt im Islam, belegt durch Textaussagen in Koran und Sunna (Hadithen), zu relativieren versuchen, indem zunächst auf ›Mehrdeutigkeit‹ hingewiesen und dann im Retourkutschenformat auf gewaltfördernde Passagen in anderen ›heiligen Schriften‹ aufmerksam gemacht wird. Es ist auch nicht verständlich, wieso sich Koopmans, entgegen der eben noch geäußerten Absicht, theologische Abstinenz zu üben, anheischig macht, als Beleg für Gewaltbereitschaft im Christentum das Alte Testament zu zitieren und für Gewalt im Neuen Testament die Apokalyptik der Offenbarung heranzuziehen (S. 44). Darüber müsste man in der Tat theologisch-exegetisch diskutieren! Koranische Passagen und Hadithe werden aber nicht zitiert. Hier hätte sich der Autor entweder einen gewissen Einblick zum theologischen Diskurs der Gegenwart in der Frage der Gewalt im Christentum verschaffen oder ganz auf biblische Zitate verzichten sollen. Hier, wie auch an anderen Stellen seines Buches, wird das Bemühen deutlich, nur nicht ›islamfeindlich‹ zu erscheinen und inhaltlich positive Elemente des Islam zu nennen. Das wirkt bemüht und ist auch gar nicht nötig. Es ist sehr zu würdigen, dass Koopmans sich auf die Analyse des ›real existierenden Islam‹ konzentriert, also das, was »Muslime in der heutigen Welt aus dem Islam gemacht haben« (S. 46). Hier liegt die besondere Stärke des Buches.

Vergleichende Kontrastmethode: Ursachen der Demokratiedefizite islamischer Länder

Koopmans methodischer Ansatz, um die kausale Rolle religiöser Faktoren für die Entwicklung des Islam und den Aufstieg des Fundamentalismus zu erklären, ist die sogenannte »vergleichende Methode«. Wenn »kontrastierende Fälle« untersucht würden, die sich ähnlich, aber in Bezug auf die Religion sehr verschieden seien, so ließe sich daraus, »quasi experimentell« (S.52) die Bedeutung religiöser Faktoren ermitteln. Dieser Teil des Buches ist der spannendste, beeindruckendste und überzeugendste, weil Koopmans plausibel belegen kann, dass »die immer tiefere Krise, in die die islamische Welt in den letzten fünfzig Jahren geraten ist, hauptsächlich religiöse Ursachen hat« (S. 54). Er präsentiert in den Kapiteln 2 bis 6 sechs Fallbeispiele, die zeigen sollen, »dass die islamischen Länder, Regionen und Migrantengruppen trotz sehr ähnlicher Ausgangspositionen in Bezug auf Demokratie, Menschenrechte, politische und religiöse Gewalt, Wirtschaftswachstum und Integration in den letzten fünfzig Jahren hinter den nichtmuslimischen Vergleichsgruppen zurückgeblieben sind« (S. 52). So vergleicht er das hinduistische Mauritius mit den islamisch-fundamentalistischen Malediven, das hinduistische Indien mit den islamischen Bangladesch und Pakistan, den islamischen Norden Nigerias mit dem christlichen Süden, Ägypten und Südkorea, libanesische Christen und libanesische Muslime in Australien. Ausgehend von seinen ausgezeichneten Länderstudien, zeigt er die Kontraste von islamischen und nicht-islamischen Staaten vor dem Hintergrund internationaler Vergleichsstudien politischer Regime (»Polity-Project«, »Freedom House«, »Economist Intelligence Unit«), wobei ihm die Daten von »Freedom House« als die aussagekräftigsten erscheinen (S.60). Es zeigt sich, dass die Demokratie seit 1972 »beispiellose Fortschritte gemacht« hat, jedoch an der islamischen Welt »völlig vorbeigegangen« sei (S. 62). »53% der islamischen Länder werden autoritär regiert, magere 4% sind demokratisch«. Dagegen sind 57% der nicht-muslimischen Länder demokratisch und nur 15% haben undemokratische, autoritäre Regime. Ganz offenkundig ist das auch nicht vordergründig ein »arabisches Problem«, sondern ein »islamisches«. Auch der Faktor »wirtschaftlicher Wohlstand« erklärt die Demokratiedefizite islamischer Länder nicht, denn islamische Länder gehören sowohl zu den ärmsten (Somalia) als auch zu den reichsten (Katar), gemessen am Bruttosozialprodukt pro Kopf (S. 67). In nicht-muslimischen Ländern ist dagegen der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Prosperität und Demokratie klar erkennbar. Eine der bis heute »beliebtesten Erklärungen« für die Demokratiedefizite der islamischen Länder ist der Verweis auf das »Erbe des Kolonialismus« (S. 73). Koopmans prüft dieses Argument für die kolonialisierten Länder im Blick auf die Dauer der Kolonialherrschaft kritisch und kommt zu dem Ergebnis, dass trotz einer langandauernden Kolonialherrschaft (von mehr als 150 Jahren) der Anteil der Demokratien höher ist als bei einer kurzen Dauer. Offensichtlich hat auch eine lange Kolonialherrschaft die Entwicklung zu Demokratien nicht entscheidend behindert, sondern eher positive Effekte gehabt. So ist z.B. der Sklavenhandel in den langanhaltend kolonialisierten Ländern früher abgeschafft worden als in den nicht oder nur kurz kolonialisierten.

Religion, Unfreiheit und Gewalt

Die genannten Fallbeispiele und die Prüfung derselben mittels globaler Surveys machen deutlich, dass spätestens seit 1979 ( ›Iranische Revolution‹, Erstürmung der Großen Moschee von Mekka durch Fundamentalisten) religiös-kulturelle Faktoren zur Erklärung gesellschaftlicher Entwicklungen in der Islamischen Welt an Bedeutung gewonnen haben. Der Vormarsch des Fundamentalismus beginnt allerdings nicht erst hier, sondern reicht weit in die islamische Religions- und Philosophiegeschichte zurück. Koopmans weist treffend auf die Bedeutung des saudi-arabischen Wahhabismus hin, der sich seit Mitte der siebziger Jahre in Ländern mit islamischer Bevölkerungsminderheit stark ausgebreitet hatte. Mit saudischem Geld wurden hier »1359 Moscheen, 210 islamische Zentren, 302 Universitäten und Hochschulen sowie 2000 Schulen« finanziert (S. 28). [Neben dem Gründer der sittenstrengen, frommen Richtung der Wahabiya, Muhammad b. Abd-al-Wahhab (1704-1792), verehren Fundamentalisten eine Reihe weiterer Rechtsgelehrten, wie z.B. den „großen Lehrer des Islam“, Ibn Taimiyya (1263-128), den indischen Journalisten Sayyid Abu A’la Maudusi (1903-1979) und den ägyptischen Journalisten Sayyid Qutb (1906-1966). In organisierter Form beginnt der Fundamentalismus mit der Gründung der Muslimbruderschaft 1928 in Ägypten.]

Der Bedeutungszuwachs von Religion gilt gleichermaßen für Einstellung und Verhalten islamischer Staaten zu nicht-muslimischen Ländern, für innerislamische Konfrontationen (Bürgerkriege), für das Verhalten islamischer Staaten zu religiösen Minderheiten und schließlich auch für das Verhältnis zu Frauen. Die Ergebnisse sind sehr klar. Im Vergleich des hinduistischen Mauritius mit den islamischen Malediven überragt das demokratische Mauritius den maledivischen Autoritarismus, der sich aus der rigorosen Anwendung von Scharia-Recht speist, bei weitem. Ähnliches zeigt sich im Vergleich des mehrheitlich hinduistischen Indiens mit den mehrheitlich islamischen Länder Pakistan und Bangladesch. Hier hat die Religion im Blick auf Menschenrechte und Demokratie eine sehr unterschiedliche Entwicklung bestimmt. Während das hinduistische Indien sich zu einer halbwegs funktionierenden Demokratie entwickelte, zeigten Pakistan und Bangladesch erhebliche Defizite. In diesen Staaten sind Religion und Politik nicht getrennt, der Islam ist Staatsreligion und die Gesetzgebung stark religiös – durch die Scharia – geprägt: Deutliche ehe- und familienrechtliche Benachteiligung von Frauen (Polygamie und Verstoßungsrecht), Benachteiligung und Verfolgung religiöser Minderheiten in Pakistan (Christen, Ahmadiyya Jama’at), strikte Blasphemiegesetze, die ›Beleidigung‹ des ›Propheten‹ mit der Todesstrafe bedroht. Ein spektakulärer Fall war die wegen angeblicher Beleidigung des ›Propheten‹ zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi, die 10 Jahre in der Todeszelle saß, aber nach massivem internationalem Druck freigelassen wurde und nach Kanada ausreisen durfte. Bezugnehmend auf Daten aus den World Surveys von Jonathan Fox zur Diskriminierung religiöser Minderheiten, legt Koopmans dar, dass im Jahr 2008 in 25 Ländern mit islamischer Mehrheit religiöse Minderheiten schwerer Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt waren. Dagegen sind es nur 9 Länder mit christlicher Mehrheit, in denen es zu Diskriminierung und Verfolgung kommt. Dass im Fox-Survey auch Deutschland als diskriminierender Staat gegenüber seiner muslimischen Minderheit genannt wird, ist jedoch völlig absurd. Diese Einordnung wird damit begründet, dass Deutschland Muslimen Religionsunterricht in öffentlichen Schulen verweigere. Das ist nicht nur sachlich komplett falsch, denn es gibt längst Formen von Islamischem Religionsunterricht in deutschen Ländern, sondern dies blendet schlicht die Gründe aus, warum es noch nicht flächendeckend zur Einrichtung eines solchen Unterrichts gekommen ist. Es liegt nicht am ›diskriminierenden‹ deutschen Staat, sondern an der Unfähigkeit der muslimischen Gemeinschaften selbst, sich so zu verfassen, dass sie nach Artikel 7, Absatz 3 GG als Kooperationspartner des Staates Religionsunterricht erteilen könnten.

Das Schariarecht hat in islamischen Staaten ein Apartheidssystem geschaffen, das insbesondere die Frauen massiv diskriminiert (S.101 ff.) Im Unterschied zu den zurückliegenden Protesten gegen das südafrikanische Apartheidssystem, finden gegenwärtig keinerlei Proteste gegen die Millionen Frauen diskriminierenden islamischen Regierungen, allen voran Iran und/oder Saudi-Arabien, statt. Schrecklich ist auch das Schicksal der Homosexuellen. In 11 islamischen Staaten gilt für Homosexualität die Todesstrafe, im Iran wurden seit 1979 5000 Menschen wegen ihrer Homosexualität hingerichtet (S. 105).

Gewalt im Namen des Islam: islamische Kriege, Bürgerkriege und Terrorismus

Das Beispiel Nigeria mit seinem islamischen Norden und überwiegend christlichen Süden belegt die gesellschaftlich disruptive Rolle des islamischen Fundamentalismus. Beginnend mit den sogenannten Miss-World-Unruhen 2002 im nordnigerianischen Kaduna, eskalierten islamische Fundamentalisten einen bislang nur schwelenden Konflikt zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen Minderheit. Die Christen widersetzten sich der fortschreitenden Einführung des Schariarechts, das von muslimischer Seite zunehmend gewalttätig durchgesetzt wurde. Hinzukam das Wüten der dschihadistischen Boko Haram-Fundamentalisten, die schon Tausende von Christen ermordet hatten. Obwohl es nicht nur um Religion ging (Kampf um materielle Ressourcen etc.), war doch die Religion der entscheidende Erklärungsfaktor für die Eskalation der Gewalt. Koopmans rehabilitiert den vielgeschmähten Samuel Huntington zumindest hinsichtlich seiner Prognose, dass gewalttätige Konflikte nach Ende des Kalten Krieges einen verstärkt religiös-kulturellen Hintergrund haben und insbesondere in der islamischen Welt zunehmen würden: »1995 waren 42% der Länder mit bewaffneten Konflikten islamisch (13 von 31 Ländern, die in gewaltsame Konflikte verwickelt waren…2015 waren mehr als die Hälfte – 16 von 30 bzw. 53 Prozent – der Länder, in denen bewaffnete Konflikte wüteten, islamisch« (S.129f.).

Auch über dem seit Beginn des 21. Jahrhunderts exorbitant eskalierenden internationalen Terrorismus weht die grüne Fahne des »Propheten«, in Todesschwarz getaucht. Koopmans hält sich bei der Definition von Terrorismus an die weithin akzeptierten Kriterien: Vorsatz, Androhung, bzw. Anwendung von Gewalt gegen Personen und Sachen, Täter gehören nicht dem Staatsapparat an. Gleichwohl will er Terrorismus enger fassen. Nicht als Terrorismus sollen Angriffe auf »bewaffnete Gegner« gewertet werden. Somit wäre ein Angriff »palästinensischer Aktivisten« auf israelische Soldaten und Polizei kein terroristischer Akt, das »Erstechen von Zivilisten« wohl (S. 133f.) Das ist eine Präzisierung, welche die Abgrenzungsprobleme zwischen legitimem Widerstand und Terrorismus nicht löst. Wenn bei einem Bombenanschlag auf einen israelischen Bus sowohl Soldaten der IDF als auch Zivilisten sterben, dann waren die ersten Opfer einer legitimen Widerstandsaktion und die letzten Terrorismusopfer? Nun kann Koopmans natürlich keine Begriffsgeschichte und Theorie des Terrorismus bieten, da muss sich der Leser schon aus anderen Quellen unterrichten. [Hilfreich ist Sylvia Schrau, Terrorismus und politische Gewalt. Göttingen, 2018] Es geht dem Autor um den Beleg, dass der Terrorismus zwischen 2007 und 2016 in gewaltigem Ausmaß zugenommen hat. In den siebziger Jahren starben global rund 5000 Menschen durch Terroranschläge, zwischen 2007 und 2016 waren es bereits 116.000, davon waren 70% in islamischen Ländern zu verzeichnen. (S. 137). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass »islamische Extremisten für die allermeisten terroristischen Gewalttaten verantwortlich sind« (S. 138). Dieses Faktum wird jedoch – nach jedem Anschlag neu! – von Politikern, Journalisten und Kommentaren schlicht geleugnet, nach dem Motto, das alles habe ›doch nichts mit dem Islam‹ zu tun. Koopmans präsentiert einige der gängigen ›Leugnungsthesen‹, die nichts zur Sachdebatte über die Gefährlichkeit islamistischen Terrors beitragen (»die friedliche Religion«, Zahlenspielereien von EUROPOL etc. (S.142ff.) und einige der in der islamischen Welt grassierenden ›Verschwörungstheorien‹, wobei es angesichts des weitverbreiteten Antisemitismus nicht verwundert, dass die Hintermänner der Anschläge natürlich bei ›den Juden‹ vermutet werden. Letztendlich sei ›der Westen‹ selbst schuld: Er habe die ›postkolonialen‹ Grenzen geschaffen (»Sykes-Picot-Abkommen«, 1916) und damit kriegerische Konflikte vorprogrammiert und er unterstütze diktatorische Regime in der islamischen Welt. Koopmans widerlegt diese Behauptungen und zeigt auf, dass die Politik autoritärer islamischer Regime sowie Konflikte um Macht und Einfluss schon wichtige Erklärungsfaktoren sind, jedoch religiös aufgeladen werden und eine besondere Dynamik gewinnen. »Der totalitäre Machtanspruch des fundamentalistischen Islam, der seit 1979 zunehmend die islamische Welt in seinen Griff bekommen hat, ergänzt und verstärkt die beiden anderen Faktoren« (S. 152).

Die Bedeutung der wirtschaftlichen Stagnation

Die islamische Welt ist in wirtschaftlicher Hinsicht hinter den westlichen, nicht-islamischen Ländern deutlich zurückgeblieben. Moderne konkurrenzfähige Marktwirtschaften konnten nicht entstehen. Gibt es auch dafür religiöse Gründe? Koopmans bejaht das und führt eine Reihe von blockierenden und behindernden Faktoren auf: z.B. Erbrecht, Zinsverbot und Ignoranz epochemachender Erfindungen und Neuerungen, wie z.B. den Buchdruck. 1450 hatte Johann Gutenberg den Buchdruck erfunden und die entscheidende Grundlage für die Modernisierung Europas geschaffen. 1485 verbot der osmanische Sultan Bayezid II. den Buchdruck in arabischer Sprache, was erst 1726 aufgehoben wurde, jedoch auf den Druck nicht-religiöser Literatur beschränkt war. Ab 1802 durfte dann auch religiöse Literatur gedruckt werden. Dies hatte gewaltige Folgen für die gesellschaftliche Entwicklung, denn da es fast nichts zu lesen gab, waren die Analphabetenraten sehr hoch, was zu einem anhaltend niedrigen Bildungsniveau führte. Auch habe der Islam aus religiösen Gründen die wohl wichtigste soziale Revolution der Neuzeit verpasst: die Emanzipation der Frau (S. 166). Die fatale Rolle des Islam für die wirtschaftliche Entwicklung belegt der Autor mit dem Fallbeispiel des Vergleiches von Ägypten und Südkorea. 1970 hatten beide Länder bei ähnlicher Bevölkerungszahl (Südkorea 32 Millionen, Ägypten 36 Millionen) ein ungefähr gleiches Wohlstandsniveau, gemessen am Jahreseinkommen pro Kopf (Ägypten 234 Dollar, Südkorea 286 Dollar). Unter den 1970 139 unabhängigen Staaten belegten beide Staaten den 91. bzw. 83. Platz. 2015 zeigt sich aber schon eine gewaltige Schere zwischen beiden Ländern. Das jährliche Pro-Kopf Einkommen in Südkorea lag nun bei 27000 Dollar, der durchschnittliche Ägypter dagegen verdiente achtmal weniger als ein Südkoreaner. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-BSP von 3400 Dollar lag Ägypten im Wirtschaftsranking der nun 194 unabhängigen Staaten auf dem 121. Platz, während Südkorea, knapp hinter Italien, auf dem 31. Platz landete. Die Gründe sind in diesem Fall nicht schwer zu finden. Während Ägypten seit 1945 bei Aufrechterhaltung der Scharia Gesetzgebung von einer politischen Krise in die nächste stürzte, sich ständig mit dem explodierenden Fundamentalismus auseinandersetzte und 2013 gar eine Militäraktion zur Sicherung des Staatszusammenhalts durchführen musste, gelang es Südkorea, sich aus einer jahrzehntelangen Diktatur zu befreien und schrittweise den Weg in eine Demokratie zu beschreiten. Demokratisierung ist zweifellos für mehr Wirtschaftswachstum und die weitere Modernisierung der Wirtschaft von Vorteil, gleichwohl können auch autoritäre Staaten, vor allem wenn sie rohstoffreich sind, Wirtschaftswachstum erreichen.

Zentrale Defizite – Kernelemente der Rückständigkeit

Die Defizite der Islamischen gegenüber dem Rest der Welt sind auch von muslimischen Experten bereits lange beschrieben worden. Koopmans bezieht sich hier u.a. auf die materialreichen »Arab Human Development«-Reports von 2002 bis 2016. Im Report von 2002 werden die zentralen Schwachstellen der Entwicklung der arabisch-islamischen Welt genannt: »das Freiheitsdefizit, das Wissensdefizit und das Frauenemanzipationsdefizit« (S. 173) Das deckt sich mit dem, was der Autor als die »Kernprobleme« des Islam identifiziert: die »fehlende Trennung von Religion und Staat« die »Benachteiligung der Frauen« und die »Geringschätzung von säkularem Wissen«. (S. 228). Das »grundlegendste Problem« dabei ist die »Vermischung von Religion und Politik« (S. 229). Das ist fürwahr ein Jahrhundertthema zu dem Islamkritiker und Apologeten ganze Bibliotheken gefüllt haben. Muslimische Kritik an dieser Vermischung gab es schon relativ früh im 20. Jahrhundert. Ich erinnere hier nur an einen heute weitgehend unbekannten Kritiker dieser Vermischung, den ägyptischen Rechtsgelehrten an der Al-Azhar Universität und Scharia-Richter Ali Abd ar-Rāziq (1888-1966). Rāziq verteidigte entschieden die Abschaffung des Kalifats durch Mustafa Kemal 1924. In seinem Hauptwerk Der Islam und die Grundlagen des Regierens (oder der Macht) (al-islam wa-usul al-hukm) aus dem Jahre 1925 behauptete er, das Kalifat sei keine religiös legitimierte Institution gewesen, sondern habe auf Despotismus und blanker Machtpolitik beruht. Man müsse strikt zwischen der Offenbarungsreligion Islam und der politischen Herrschaft unterscheiden.Wie vielen anderen ist ihm diese Kritik nicht gut bekommen: er verlor alle seine Ämter und wurde verbannt. [Hans-Georg Ebert (Hg.), Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft. Übersetzung und Kommentar des Werkes von Alî Abd ar-Râziq. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2010]

Koopmans belegt die zentralen Defizite mit einer Fülle aktueller statistischer Materialien und Studien und fügt diese zu einem wahrhaft erschreckenden Bild des ›real existierenden Islam‹ zusammen. Und das gilt nicht nur für die islamische Welt, sondern auch im Blick auf muslimische Migrantenkulturen im Westen (Fallbeispiel: Libanesische Christen und Muslime mit islamischem Migrationshintergrund in Australien). Die naive Ansicht, diese Migration würde nur die erfreulichen, ›bereichernden‹ Seiten der Migranten mitbringen und zu ihrer Integration beitrage, ist gründlich widerlegt. Koopmans macht klar, dass sich »in den Problemen der muslimischen Integration…die Krise der islamischen Welt im Kleinformat« spiegelt (S. 190). Sowohl in Australien als auch in Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz zeige sich, dass die muslimischen Migranten selbst viele Jahrzehnte nach der ersten Migration im Blick auf zahlreiche Indikationsfaktoren (Sprachkenntnisse, soziale Kontakte, Arbeitsmarktbeteiligung, Haushaltseinkommen, Bildungserfolg) gegenüber anderen Migrantengruppen (z.B. Christen und Hindus) deutlich schlechter abschneiden. Das ist ein generelles Muster mit wenigen Ausnahmen. Die zur Erklärung dieses Zurückbleibens immer wieder vorgebrachte These, dies sei grundsätzlich auf die allgegenwärtige ›Diskriminierung‹, in den Ausnahmeländern zurückzuführen, gewissermaßen eine »ethnic penalty« (S. 206), wird von Koopmans unter Verweis auf zahlreiche Studien bestritten, wobei er natürlich nicht leugnet, dass es Diskriminierungen gibt, die Integration erheblich beeinträchtigen können.

Plausibler jedoch ist die Erklärung, dass es der Ballast religiöser Regeln und religiös bestimmter kultureller Lebensformen ist, der Integration entscheidend behindert. Hinzu kommen Einstellungen und Verhaltensweisen, »die den Grundprinzipien einer offenen Gesellschaft widersprechen und die Freiheit anderer durch Drohung und Gewalt einschränken«, z.B. Hass und Gewalt gegen Juden, Homosexuelle und Frauen (S. 210). Zum Antisemitismus unter muslimischen Migranten hat Koopmans selbst zahlreiche Belege geliefert. Seine große Fundamentalismus Studie in sechs europäischen Ländern zeigte einen quer durch die Altersgruppen grassierenden Antisemitismus: »Darin äußerten durchschnittlich 45 Prozent der türkisch- und marokkanischstämmigen Muslime (variierend zwischen 28 Prozent in Deutschland und 64 Prozent in Österreich) die Meinung, dass Juden nicht zu trauen sei. Unter der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund waren ›nur‹ 8 Prozent dieser Ansicht« (S. 211).

Ähnliches gilt für Frankreich, wobei die in den letzten Jahren gegen Juden geübte Gewalt signifikant zugenommen hat. Es ist erfreulich, dass der Autor ein fatales Problem anspricht: Die Täter-Zuordnung und Messung antisemitischer Straftaten! Die Behörden scheuen sich entweder ganz, den ethnischen Hintergrund einer Straftat zu offenbaren oder ordnen, wie z.B. in Deutschland, »fremdenfeindliche sowie antisemitische Straftaten« schlicht den ›Rechten‹ zu, insofern keine ›gegenteiligen Tatsachen‹ vorliegen. Ein anderes Bild als es die unzureichenden Statistiken wiedergeben, bekommt man mit dem Format der Opferbefragung, etwa der von der Europäischen Union für Grundrechte (European Agency for Fundamental Rights – FRA). Hier wurden 2018 in 12 Ländern 16 000 Juden befragt und das Ergebnis war erschreckend. 28% von ihnen gaben an, im letzten Jahr »wegen ihrer jüdischen Herkunft beleidigt, belästigt, bedroht oder körperlich angegriffen worden zu sein (S. 215). In Deutschland lag dieser Anteil bei 41%. [Vollständiger Bericht: Experiences and perceptions of antisemitism/Second survey on discrimination and hate crime against Jews in the EU (europa.eu) (2018). Erfahrungen und Wahrnehumungen im Zusammenhang mit Antisemitismus – Zweite Erhebung zu Diskriminierung und Hasskriminalität gegenüber Jüdinnen und Juden in der EU; Zusammenfassung (europa.eu) (2019)]

Die am häufigsten genannte Tätergruppe waren »Menschen mit islamisch-extremistischen Ansichten« (= 30%), während Linksextremisten mit 21% und Rechtsextremisten mit 13% dahinter rangierten. Noch größere Probleme zur Ermittlung belastbarer Daten gibt es bei der Beurteilung des Ausmaßes von Beleidigungen, Belästigungen und Gewalt gegen Homosexuelle. Aber aus den spärlich vorliegenden Daten schlussfolgert Koopmans, dass »ein muslimischer Hintergrund .. bei Weitem der wichtigste Erklärungsfaktor für homophobe Einstellungen« sei (S. 215). Das gilt auch zur Erfassung von Gewalt gegen Frauen, seien es Sexualdelikte oder häusliche Gewalt. Doch alles zusammen genommen ergibt ein düsteres Bild für Religion und Kultur des Islam. Schließlich ist es, wie Koopmans schlussfolgert, »die Sozialisation in einer religiösen Kultur, in der Antisemitismus weit verbreitet ist, Homosexualität als Todsünde gilt und Frauen männlichen Familienmitgliedern gehorchen müssen, die den Nährboden für gewaltsame Entgleisungen bildet« (S. 223).

Islam ohne Fundamentalismus oder was ist ›der‹ Islam?

Kann es einen Islam ohne Fundamentalismus geben? Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass geklärt werden muss, von welcher Perspektive aus Islam wie definiert wird. Koopmans wendet sich gegen ›Alles-oder-nichts‹ Positionen, d.h. jene, die einerseits den Islam pauschal mit dem Fundamentalismus identifizieren und jene, die andererseits behaupten, der Fundamentalismus habe nichts mit dem Islam zu tun. Für die einen ist der Islam die Ausgeburt des Bösen, für die anderen eine friedliche Lichtgestalt. Weil die Vertreter dieser antagonistischen Positionen ihr Islamverständnis als den ›wahren Islam‹ ausgeben, will Koopmans solche essentialistischen Bestimmungen vermeiden. Er hält nichts von theologischer Quellenarbeit mit den islamischen Grundtexten Koran und Sunna, sondern will strikt empirisch und pragmatisch »den Islam danach beurteilen, was Menschen, was Gläubige aus ihm gemacht haben« (S. 228). So wirft er z.B. Thilo Sarrazin und dem ›rechtspopulistischen‹ Niederländer Geert Wilders ›amateurhaften‹ Umgang mit den Grundtexten vor. Wenn man Koopmans Analysemethode folgen will und natürlich akzeptiert, dass der Islam nicht ›ahistorisch‹ beurteilt werden kann, ist es gerade deshalb unverständlich, warum der theologische Diskurs ausgeklammert bleiben soll. Dieser Diskurs gehört in seinen Entwicklungen und Wandlungen doch zu dem, was Gläubige aus dem Islam ›gemacht‹ haben und ist gewichtiger Teil des ›real existierenden Islam‹.

Warum verschließt sich ein so brillanter Soziologe letztlich einer geistes- und theologiegeschichtlichen Analyse und verzichtet dabei auf wesentliche Erklärungsfaktoren islamischen Denkens? Er muss ja nicht selbst zum Theologen werden, es geht nur um das Einbeziehen dieses Diskurses in seine empirisch-pragmatischen Studien. Wie schon oben erwähnt, verfährt er ja auch nicht konsequent theologieabstinent, z.B. wenn es um Gewalt im Christentum geht, oder wenn er die berühmte Sure 2,256 zitiert »Es gibt keinen Zwang in der Religion«. Diese Sure wird bis heute in der islamischen Welt als Grundsatzdokument islamischer Religionsfreiheit verstanden und immer wieder stolz als Beweis für die ›Fortschrittlichkeit‹ des Islam schon zu Zeiten des ›Propheten‹ zitiert. Allein die Beschäftigung mit der Interpretationsgeschichte dieser zentralen Sure hätte Koopmans zweierlei zeigen können: Erstens, dass es schon in der Frühzeit des Islam eine gewisse Meinungsvielfalt unter den muslimischen Interpretatoren gab, und zweitens, dass und warum es den Fundamentalisten gelang, ihre restriktive Auslegung des Verses zur dominierenden zu erheben. Nach dieser ist Religionsfreiheit nur im Islam zu erreichen, weil der Islam ohnehin die einzig wahre »Religion bei Gott« sei (Sure 3,19; Sure 3,85). [Siehe zur Geschichte der Exegese von Sure 2,256: Patricia Crone, »Es gibt keinen Zwang in der Religion«: Islam und Religionsfreiheit. In: CIBEDO 1/2008, S. 4ff. Umfassend: Christine Schirrmacher, »Es ist kein Zwang in der Religion« (Sure 2, 256): Der Abfall vom Islam im Urteil zeitgenössischer islamischer Theologen. Diskurse zu Apostasie, Religionsfreiheit und Menschenrechten. Würzburg, 2015]

Diese Interpretation, die Lichtjahre von einer menschenrechtlich begründeten Konzeption von Religionsfreiheit entfernt ist, wird bis heute letztlich auch vom sogenannten ›Mainstream‹ vertreten, weil kein Rechtsgelehrter und Politiker es wagt, auch nur in die Nähe der Akzeptanz von Säkularität gerückt zu werden! Koopmans hat glänzend die überragende Bedeutung, ja letztlich Dominanz, des Fundamentalismus für den zeitgenössischen Islam herausgearbeitet. Allein die Tatsache, dass im Jahre 2018 die Scharia in 29 der 47 Staaten mit islamischer Bevölkerungsmehrheit »expliziter Teil des Rechtssystems« war und die meisten anderen islamischen Staaten Gesetze haben, die sich aus dem Schariarecht ableiten, sollte diese Dominanz belegen. Der von dem Autor als ›real existierender Islam‹ bezeichnete Islam ist, wie ich es sage, ein ›real-dominanter‹ Islam, in dem Fundamentalismus, Islamismus (auch ›politischer Islam‹ genannt), Dschihadismus und Salafismus eindeutig den Ton angeben. Die sogenannten ›Modernisten‹, ›Gemäßigten‹ oder ›Liberale‹ fristen ein Schattendasein, meistens in den intellektuellen Elfenbeintürmen westlicher Universitäten ohne jeden Einfluss auf die von Al-Azhar, Medina, Deoband, Islamabad etc. vertretenen Lehren, ganz zu schweigen vom Zugang zu den ›real existierenden‹ muslimischen communities.

Die Hoffnung des Autors auf eine Reformbewegung würde ich gerne teilen. Doch eine solche ist weder in der islamischen Welt noch in Europa in Sicht und schon gar nicht in Deutschland, wo letztlich fundamentalistisch-nationalistische Moscheevereine und Verbände dominieren und behaupten, im Namen der Muslime zu sprechen. Ein kleines Pflänzchen wie die von Seyran Ates installierte liberale »Ibn-Ruschd«-Moschee ist ein winziger Hoffnungsstrahl am Ende eines tiefschwarzen fundamentalistischen Tunnels. Leider verhindert eine hysterische ›Islamophobie‹-Welle eine wirklichkeitsnahe Analyse der islamischen Welt. Wer, wie der Autor, die Kernprobleme der islamischen Welt im Islam selbst lokalisiert und dafür Belege bringt, gilt für die Islamophobie-Lobby schlicht als ›Islamfeind«. Koopmans wird es aushalten.

Ich kann dieses Buch nur sehr empfehlen. Es ist mit Sicherheit eines der wichtigsten islamkritischen Bücher, die in den letzten Jahrzehnten geschrieben wurden.

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