von Ulrich Schödlbauer
Meine erste Begegnung mit der Kunst Walter Rüths – nicht mit seinen ersten Bildern, sondern mit dem, was er bald darauf grab_art nannte – verdanke ich, so unglaublich es klingen mag, einem Fahrradsattel. Dieser Sattel, wenn man ihn noch so nennen darf, hat sich aus seiner Halterung gelöst, er ist emporgestiegen, fast wie ein Tier, ein Marder oder ein Eichhörnchen, das sich kurzfristig auf seine Hinterbeine stellt, um zu schnuppern, vielleicht eine Gefahr, vielleicht die Freiheit oder einen Hauch davon. Gerade so, mit dieser charakteristischen Biegung der Hinterbeine, in der sich die Spannung und das Ungewohnte der Situation mitteilen, steigt der Sattel vor dem erstaunten Auge des Betrachters auf, das schon ahnt, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein kann, dass er heraustritt aus der Zeit der Begebenheiten und dadurch natürlich eine eigene Dauer gewinnt, die ihm niemand mehr nehmen kann, eine im Bild gewonnene Dauer.
Zu Doro Bregers Projekt Mein ist die Erde. Profanationen 1 – 5
von Ulrich Schödlbauer
1.
Die Trennung des Heiligen vom Profanen schafft Übergänge – Schwellen, Öffnungen, Durchblicke. Durch sie entsteht ein Zwischenbereich der verstohlenen Blicke, der Viertel- und Halbwahrnehmung, der flüchtig und beiläufig konnotierten Referenzen. Das Auge ruht bedeutungsvoll auf entrückten, halb verborgenen und künstlich abgedunkelten Gegenständen, die der Betrachter als ›geheimnisvoll‹ notiert, aber nicht in ihrer eigenen Bedeutungsdimension erschließt. Der ästhetische Symbolismus der Kunst bewegt sich, wie bekannt, in diesem Zwischenbereich. Die Surrealisten haben ihn auszuloten versucht, die Werbung und das Kino haben ihn geplündert und kommerzialisiert. So betrachtet, besteht das, was man die Ikonographie der Warenwelt nennt, zu großen Teilen aus ästhetischen Anleihen. Zweckmäßigerweise gedeihen sie dort am besten, wo den Rezipienten die Bezugnahme nicht deutlich wird. Das kann viele Gründe haben. Zwei davon sind eher struktureller Natur: die Trivialität der Bezüge und die aufgeklärte Modifikation des religiösen Bewusstseins, durch die beim durchschnittlichen Europäer das Heilige mitsamt seinen Bildern, seinen symbolischen Formen und Gesten in den Hintergrund tritt. So wird es erneut zu dem, was es schon in den Anfängen war: verbotener Bezirk.
von Ulrich Siebgeber
Nun, es sollte einmal gesagt werden, beiläufig meinethalben, aus Anlass einer beliebigen Preisverleihung: Jürgen Wölbing ist ein bedeutender Künstler, ein Zeichner und Grafiker, aus dessen Fingerspiel die feinsten Ungeheuerlichkeiten hervorgegangen sind, einer von denen, die den durchsichtigen Stab gefunden haben, mit dem man die Lamellen der Wirklichkeit auseinanderdreht, weniger, um hindurchzusehen, als sich an dieses Spiel zu verlieren.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G