Im Jahr 2020 jährt sich zum 170. Mal der Geburtstag des bedeutenden sozialdemokratischen Theoretikers und Politikers Eduard Bernstein. Am 6. Januar 1850 im damals noch eigenständigen Schöneberg bei Berlin geboren, avancierte der auch als Historiker und Politikwissenschaftler hervorgetretene Sohn eines Lokomotivführers zu einem der wirkungsmächtigsten Vordenker der SPD nach dem Ende des ›Sozialistengesetzes‹ und zur Identifikationsfigur mit jener Strömung, die als ›Revisionismus‹ in die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung einging. Der Aufstiegswille des preußischen Reformjudentums in der Tradition der Haskala prägte auch den jungen Eduard, der mit 16 Jahren aus finanziellen Gründen das Gymnasium verlassen musste und eine Banklehre absolvierte. Doch die Erfahrungen der ›Gründerkrise‹ nach 1871 brachten den zunächst linksliberal Orientierten an die Seite der Sozialdemokratie. Im Frühjahr 1872 trat er den ›Eisenachern‹, also der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) August Bebels und Wilhelm Liebknechts bei und wirkte für sie als Agitator. Sein Onkel war übrigens der in Berlin weithin bekannte linksliberale Publizist, 1848er Revolutionär und Autor der Berliner Volkszeitung, Aaron Bernstein (1812-1884).
von Gunter Weißgerber
Sie haben mich um eine Rede zur jüngeren Geschichte gebeten. Gern komme ich dem nach. Manches wird sie überraschen, vielleicht auch erfreuen, einigen Aussagen mögen Sie vielleicht nicht folgen.
Das geht vielleicht schon mit dem Weg in die Friedliche Revolution los.
Helmut Kohl führte nach 1982 den deutschlandpolitischen Weg von Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher fort. Brandts »Wandel durch Annäherung«, der Grundlagenvertrag, Schmidts KSZE-Engagement und dessen Idee der Doppelten Nulllösung – all das nahm Kohl auf. Auf den Punkt gebracht: Ich bin Schmidt für die Doppelte Nulllösung genauso dankbar wie ich Kohl für die Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses zu danken habe.
Anders ausgedrückt, der Widerstand der Unionsparteien gegen die Neue Ostpolitik hatte mich genauso geärgert, wie mich das »Gemeinsame Papier von SPD und SED« von 1987 noch heute auf die Palme zu bringen vermag.
Wie war das mit dem real existierenden Sozialismus in der DDR als Vorstufe zum Kommunismus?
von Felicitas Söhner, Anne Oommen-Halbach, Heiner Fangerau
Der britische Historiker Timothy Garton Ash bemerkte einmal: »1989 war das bedeutendste Jahr der Weltgeschichte seit 1945« (Ash 2009). Zumindest für die deutsche Geschichte mag das zutreffen. Das Jahr der Wiedervereinigung, das auch über Deutschlands und Europas Grenzen hinaus zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Transformationsprozessen führte, jährt sich 2019 zum 30. Mal. Die Generation der heute lebenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen kennt das Leben und den Alltag in einem geteilten Deutschland nur noch aus Schulbüchern oder aus Erzählungen. Grundlegende zeithistorische Kenntnisse scheinen ihnen nur unzureichend vermittelt zu werden: Bereits zum 20. Jahrestag des Mauerfalls wurden bei deutschen Schülern im Hinblick auf die Geschichte der DDR erhebliche Wissenslücken konstatiert (BKM 2012: 65). Auch an den Universitäten sind bis auf wenige herausragende Ausnahmen die Forschungszweige zur Geschichte der DDR und dem damit verbundenen SED-Unrecht bislang nur wenig ausgebildet. In Ost und West stehen sich zudem getrennte Erinnerungskulturen gegenüber. (BMBF 2017, Söhner 2014)