von Herbert Ammon

Meine Liebe zu Yahoo hinkt den Zeitläuften hinterher, was nicht mit schwindendem Eros, sondern mit Alltagspflichten sowie dem elektronischen Tempo des globalen Kulturfortschritts zu erklären ist. So verpasste ich den Muttertag (»Der Muttertag ist ein Feiertag zu Ehren der Mutter und der Mutterschaft sich seit dem 20. Jahrhundert in der westlichen Welt etabliert. Im deutschsprachigen Raum und vielen anderen Ländern findet er am zweiten Sonntag im Mai statt.« Quelle: Wikipedia).

 

Da er am diesjährigen 8. Mai 2011  mit dem »Tag der Befreiung« zusammenfiel, an dem unsere Bundeskanzlerin dereinst bedeutungsschwere Sätze im FdJ-Hemd und in  Funktionärsdeutsch vortrug, hatte ich beabsichtigt, ein paar Gedanken zum Mutti-Talk bei Globkult vorzutragen.

Wir erinnern uns: Die Kanzlerin, die vor Jahren nach dem 11. September 2001 äußerst zurückhaltend meinte, »wir Deutschen (seien) ein Stück weit betroffen«, ließ nach dem erfolgreichen Finale der Aktion »Geronimo« in Abottabad  (2.5.2011) ihren Emotionen freien Lauf. Sie freute sich mit dem amerikanischen Volk, dass der Ober-Terrorist Osama Bin Laden »getötet worden ist.« Womit sie in ihrer unchristlichen Freude nicht gerechnet hatte, war die Entrüstung in Kirche, Politik und Medien. Mein erster Gedanke war, sie solle in Zukunft auf derlei spontane Herzensergießungen verzichten, stattdessen zuvor Maria Böhmer, Rita Süßmuth oder sonstwen  um unanstößige, emotional ausgewogene Formulierungen bitten. Z.B.: »Wir Deutschen  wissen um die hohe Verantwortung, die der amerikanische Präsident auf sich nimmt, wenn es darum geht, das Recht zu schützen. Justice has been done.« Dagegen hätten weder Karin Göring-Eckardt noch Jürgen Habermas etwas einwenden  können.

Diese Chance hat die Kanzlerin verpasst. Die Folgen sind an den Wahlergebnissen in Bremen (22. Mai 2011) abzulesen. Obgleich Hamburgerin von Geburt, hat die Kanzlerin mit ihrer Partei in der einst stolzen Hansestadt Bremen einen bösen Absturz erlebt. Das lag nicht nur an der Wahlbeteiligung (54 Prozent), am numerisch schwindenden Bürgertum in der notleidenden Hansestadt oder an dem  prestissimo vollzogenen Atomausstieg, den das grüne Wahlvolk eben nicht einer zu grüner Einsicht gelangten Physikerin Merkel, sondern nur ihren eigenen Parteioberen zutraut... Nein, es lag m.E. zuvörderst am überschwenglichen Mutti-Talk.

Ich bitte die geduldige Leserin / den geduldigen Leser von Globkult um Nachsicht, dass ich meine Überlegungen erst Wochen post eventum zu Papier (falsch: in die Tastatur) bringe. Zu meiner Rechtfertigung verweise ich darauf, dass das Unbehagen am Mutti-Talk jetzt, im klimatechnisch bedenklich hochsommerlichen Wonnemonat Mai, auch manche ihrer Parteifreundinnen und -freunde erfasst hat.

Nach diesen Erläuterungen zur lingua obliqua politica unserer einstigen FDJ-Sekretärin darf ich das Publikum mit meinem jüngsten politischen Bildungserlebnis bei Yahoo! bekannt machen:

Teils besorgt, teils schamhaft überfliege ich Yahoo! Magazin - 24. Mai 2011, das mich mit der Nachricht »Vulkanausbruch – Flüge gestrichen« schockiert, daneben mit einem Bild des nachdenklichen Ex-Präsidentschaftskandidaten  (»Strauss-Kahn: DNA-Spuren«. Weiter unten  wird  erklärt, »auf was Männer wirklich achten«,  sodann, dass Österreich unter Schock steht (kaum vorstellbar!) zum Schluss wird ein »Skandal um Sex-Videos« aufgedeckt.

Bitte, ein seriöser Bürger interessiert sich nicht für Schweinskram, er widmet sich den Nachrichten, bei Yahoo!:

 

  • Offenbar zwei Tote durch Infektion mit EHEC-Erreger (H.A.: Wofür steht die Abkürzung? Jedenfalls Vorsicht beim Bio-Salat! )
  • Tepco: Kernschmelze in zwei weiteren Fukushima-Reaktoren (Bei diesem Thema bewährt sich die direkte taz-Demokratie: »Halten Sie die Betreiberfirma Temco für glaubwürdig?« - Abstimmen!)
  • Vulkanasche stört den Flugverkehr in Europa (Ärgerlich)
  • NATO fliegt bisher schwerste Luftangriffe gegen Gaddafi  (Der hat´s verdient!)
  • Medien: Sperma Strauss-Kahns an Bluse von Zimmermädchen (Aha, nichts als ein übles Gerücht der Medien, einfach eklig!)
  • UNO: Mehr als 15.000 Sudanesen fliehen aus Stadt Abyei (Warum sorgt die NATO dort nicht sofort für Frieden?)
  • Die deutsche Wirtschaft brummt vor allem im Inland (Alle im Ausland reden schon wieder vom neuen deutschen Wirtschaftswunder. Blanker Neid.)
  • Nach Kabelbrand S-Bahn-Verkehr in Berlin eingeschränkt (An Einschränkungen bei der BVG sind wir gewöhnt. Das hätten die ›Linksautonomen‹ bedenken sollen.)
  • Ergo: Kein Koks-Konsum bei Reisen der Hamburg Mannheimer (Ergo?)
  • Verteidigung strebt Freispruch für Kachelmann an (Abwarten, bis das Urteil verkündet ist. Jedenfalls rückt dann Kachelmann in den Nachrichten wieder an die erste Stelle, nicht nur bei Yahoo!. Bis dahin vertraue ich auf die korrekte Berichterstattung bei taz-online, Bericht wird erstattet von Christian Rath: »Detailliert diskutierte Combé [die Verteidigerin des gebeutelten Angeklagten] alle Sachspuren und kam zum Schluss: ›Sie stützen weder die eine noch die andere Version.‹ Aus DNA-Spuren und Verletzungen könne nicht sicher geschlossen werden, ob der Sex einvernehmlich oder erzwungen war, ob er vor oder nach dem konflikthaften Beziehungsgespräch stattgefunden hatte. Die Spurenlage deute eher darauf hin, dass das Küchenmesser, mit dem Kachelmann die Frau zum Sex gezwungen haben soll, an diesem Abend nicht eingesetzt wurde. Verletzungen am Hals und an den Oberschenkeln habe sich Sabine W. vermutlich selbst zugefügt, so Combé.«) Die Dame ist also selbst schuld. Amour triste.


Trotz alledem,  Leserfreude zum Schluss: Der DAX steht (aktualisiert um 14.24 h) bei 7.172,2 Punkten und hat um 0,72 % zugenommen, Euro-Stoxx dagegen nur um 0,39 %. Sollen wir Europäerinnen und Europäer Schadenfreude empfinden, dass der Dow Jones bei 12.381,2 um -1,04% gefallen ist? Oder ist das ein Grund zur Sorge, im Hinblick auf die Chinesen, die vielleicht hinter dem Angriff auf das ölreiche Abyei stecken?

Ach was, halten wir uns lieber an die Top-Angebote bei Yahoo: »Entspannte Ferien. Traumziele bei Yahoo! Reisen: Vergleichen, buchen und sparen.« Wer denkt bei solchen  beglückenden Informationen an die Euro-Krise und an die Inflationsrate von < 3 Prozent?