von Markus C. Kerber

Als Rolf Hochhuth sein Stück Der Stellvertreter mit Hilfe von Karl Jaspers und Hannah Arendt auf die Bühne brachte, statuierte er das erste Beispiel seiner Arbeitsmethode: Die öffentliche Provokation. Er rührte an einem Tabu und problematisierte die Rolle des Pacelli-Papstes Pius XII. während der Nazizeit.

Dieser Methode ist Hochhuth Zeit seines Lebens treu geblieben. Sie bekam nicht nur Ex-Marine-Richter Filbinger zu spüren, sondern auch die Treuhandanstalt, die mit dem Werk McKinsey kommt, jene Würdigung erfuhr, die ihre zwielichtigen Geschäfte verdienten. Dass sich Hochhuth zusammen mit anderen westdeutschen Autoren nicht scheute, für den Verlag ›Volk und Welt‹ eine Privatisierung zugunsten der ostdeutschen Verlagsleitung auszuhandeln, die wirtschaftlich mehr als üppig war, gehört zur Wahrheit dieses geschäftstüchtigen Dramatikers, der in seiner besten Zeit mit den Tantiemen aus seinen Stücken ein beträchtliches Vermögen erwirtschaftete.

Hochhuth gelang es mit der Dramatisierung historischen Geschehens, so durch sein fabulöses Stück Sommer 14 oder mit seinem Roman Eine Liebe in Deutschland Geschichte in ihrer ganz persönlichen Dramatik auf die Bühne oder in eine literarische Form zu bringen. Seine Vorliebe für die Uminterpretation geschichtlicher Sachverhalte so in seinem Stück Soldaten zu Winston Churchill brachte ihn in die professionelle Nähe zu investigativen Journalisten.

Der jungen Bundesrepublik Deutschland würde etwas fehlen, wenn es Rolf Hochhuth nicht gegeben hätte. Die Anstöße – um nicht zu sagen Stromschläge – die in der spießigen Nachkriegsgesellschaft von ihm ausgingen, waren für die Entwicklung der Gedankenfreiheit in Deutschland nützlich, wenn nicht sogar unverzichtbar. Bei seiner lebenslangen Jagd nach Stoffen, an deren Dramatisierung ihm in dem ihm eigenen kontrastierenden Licht gelegen war, ließ sich Hochhuth auf zum Teil unterschiedlichste Projekte ein. Dazu gehörten die letzten Tage des Lebens von Hemingway (Tod eines Jägers) genauso wie die Theatralisierung des Verhältnisses von Molière zum französischen König, der nach Hochhuths Meinung Molière vor den Übergriffen der Geistlichkeit geschützt hat. Nicht alles, was er produziert hat, war von derselben Qualität. Im späteren Leben versuchte sich Hochhuth ebenso in der Lyrik und erzielte mit dem Aphorismen-Band Was vorhaben muss man viel Anerkennung.

Dennoch ging es mit seinem Bühnenerfolg langsam bergab. Seine Bemühungen, durch das von ihm bzw. über seine Stiftung erworbene Berliner Ensemble zumindest dreimal im Jahr – zur Erinnerung an die Judenprogrome in Rom 1943 – sein Stellvertreterstück aufzuführen, blieben im Stacheldraht hartnäckiger juristischer Streitigkeiten mit der Intendanz des Hauses stecken. Es gereicht Hochhuth zur Ehre, in diesem Kampf nicht aufgegeben zu haben und es ist für Berlin bezeichnend, dass die kultur- und bildungsferne Clique von Politikern sich nicht schützend vor ihn gestellt hat, um seinen Stellvertreter im Berliner Ensemble aufführen zu lassen. So musste Hochhuth – wie auch mit seinem Hemingway-Stück – auf kleinere Bühnen ausweichen, wo ihm das große Rampenlicht versagt blieb. Ob er in den letzten Jahren seiner ungebrochen streitbereiten, publizitätsträchtigen Tätigkeit – so Gespräche mit ›Russia Today‹ – besonders lebensklug war, mag heute, da wir seiner gedenken, dahingestellt bleiben.

Die große und umstrittene Persönlichkeit des Rolf Hochhuths ist und bleibt unlösbar mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verbunden.

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