Wer sich in Deutschland für aufgeklärt, demokratisch und moralisch hält, empört sich über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Durch seinen jüngsten Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos, wo er, ohne Rücksicht auf Greta und die Zukunft des Planeten, des Eigenlobs voll die USA als unvergleichliches Zukunftsmodell pries, sah man sich in seiner Aversion bestätigt. Man weiß sich einig mit allen progressiven Amerikanern, die den ›Rüpel‹ im Weißen Haus verachten, ja hassen, und mit einer Mischung aus Resignation und Wut erfahren mussten, dass die Demokraten mit dem von ihnen angestrengten Impeachment im Senat nicht durchgekommen sind. Wir befinden uns im Wahljahr 2020, und noch deutet manches auf einen neuerlichen Wahlsieg des Mannes hin, der vor vier Jahren gegen alle Prognosen – wenngleich dank Mehrheit in den Bundesstaaten, nicht in absoluten Zahlen aller Wählerstimmen – über Hillary Clinton und das Establishment triumphierte. Nun setzen viele Trump-Verächter alle Hoffnung auf den zu den Demokraten gewechselten Multimilliardär Michael Bloomberg. Selbst diejenigen, die sich sonst nur über die bibelfrommen Evangelicals mokieren, sind beglückt, dass sich unlängst der Herausgeber der maßgeblichen konservativen Zeitschrift Christianity Today gegen Trump ausgesprochen hat.

Wo sich alle einig sind, sollte man auch einmal eine andere Stimme hören. So widmete sich der Rezensent der Lektüre eines Buches, das »die wahre Geschichte« von Trumps Präsidentschaft verspricht. Der Ertrag war bescheiden. Das Buch ist eine einzige lange Eloge auf den Mann im Weißen Haus. Ein Großteil, etwa zwei Drittel, besteht aus ›Küchenklatsch‹. Es ist beispielsweise zu erfahren, dass es bei einem Essen im Januar 2019, als Trump ihm von seinem ersten Treffen mit dem »kleinen Raketenmann« Kim Jong-un in Singapur erzählte, »mundgerecht gerupften Kopfsalat«, aber aus Diätgründen kein Dessert gab. Für Trump stimmte bei diesem ersten Treffen »die Chemie zwischen Kim und mir« (S.50). Am Rande des Essens gab er Wead Briefe von Kim zur Einsichtnahme. Dieser gewann daraus die Erkenntnis, dass »Kim von Donald Trump fasziniert [sei]. Er betrachtet ihn als einzigartige Figur auf der weltgeschichtlichen Bühne. Und er möchte Geschichte mit ihm schreiben.« (S. 60)

Das zweite Gipfeltreffen in Hanoi im März 2019 wo Trump die Gespräche »lieber abbrach, als mit schlechten Karten zu spielen«, fand dem Autor zufolge in Saigon statt (S.61), ohne dass dies dem amerikanischen Lektor (w/m) oder der deutschen Übersetzerin aufgefallen wäre. Demgegenüber erscheint es als Lappalie, dass Kardinal Richelieu – als historisches Beispiel für allerlei lügenhafte Machenschaften gegen Trump – vermeintlich im 16. Jahrhundert »de facto Frankreich regierte«. (S. 356). So erweist sich das auf fast 500 Seiten ausgedehnte Buch als ein Produkt, das Trump-Verehrern Freude bereiten, Trumps Feinde in den Medien (ausgenommen Fox News), die Demokraten sowie das gebildete Publikum in seiner Verachtung bestärken wird.

Auf dem Buchumschlag wird der Verfasser wie folgt vorgestellt: »Doug Wead ist New York Times-Bestsellerautor und hat mehr als dreißig Bücher verfasst. Er war als Berater für zwei amerikanische Präsidenten tätig, hat ein Buch mit einem von ihnen mitverfasst und war im ›Senior Staff‹ des Weißen Hauses. Er lebt außerhalb von Washington, D.C. mit seiner Frau Myriam.« Näheres ist aus der amerikanischen Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/Doug_Wead) zu erfahren. Demnach gehörte der dem pfingstlerischen Milieu der Assemblies of God entstammende Wead seit den 1980er Jahren zum engeren Kreis der Familie Bush und gilt als Erfinder des Stichworts ›compassionate conservative‹. Er selbst ist Mitgründer einer Hilfsorganisation ›Mercy‹, die 2008 während der Hungersnot in Nordkorea Lebensmittel dorthin sandte. (S.48)

Über drei Jahre hin, zuletzt während der Wahlkampagne 2000, nahm Wead Telefongespräche mit George W. Bush ohne dessen Einverständnis auf Band auf. Als er anno 2005 Ausschnitte daraus veröffentlichte, trübte sich das Verhältnis zur Präsidentenfamilie. In den Wahlkämpfen 2012 und 2016 trat er als Unterstützer der libertären Politiker Rand bzw. Ron Paul hervor. Im vorliegenden Buch berichtet Wead auch über seine Gespräche mit Bush Jr.: Man habe über alles gesprochen, »über das sich zwei Männer unterhalten, wenn sie zu zweit unterwegs sind – einschließlich Geld, die Regierung, Baseball, Gott und Sex. Vor allem über Sex.« (S.444).

Der Satz erhellt Horizont und Methode des Werkes: In Buchform wurde zusammengefügt, was Wead im Umgang mit Trump, mit Insidern (darunter ein Anonymus im State Department) sowie in – über Seiten hin wortwörtlich zitierten – Gesprächen mit der weitgefächerten Trump-Familie erfahren hat. Zu seinen Quellen gehörten die Gattin Melania, die Kinder Donald Trump Jr., Eric Trump und Ivanka aus Trumps erster Ehe, Tochter Tiffany aus seiner zweiten, der als politischer Ratgeber bedeutsame Schwiegersohn Jared Kushner und last but not least Paula White, eine ebenfalls zum dritten Mal verehelichte Fernsehpredigerin und Vorsteherin einer Megakirche (20 000 Mitglieder) in Florida. Sie gehörte dank Trumps Drängen (»Paula, you pray«) zu dem Aufgebot von Predigern (»schwarze, weiße, Katholiken, Protestanten, Orthodoxe und Juden«, S. 392), die bei Trumps Amtseinführung 2017 assistierten.

Trumps Verbindung zu Paula White währt schon lange Jahre. Dem Autor Wead erläuterte sie des Präsidenten Umgang mit der Religion. In jungen Jahren besuchte er die an der Fifth Avenue gelegene presbyterianische Kirche des Pfarrers Norman V. Peale. Dessen Botschaft von der »Kraft des positiven Denkens« (The Power of Positive Thinking“,1952) sei bis heute grundlegend für Trumps optimistische Lebenseinstellung in Wirtschaft und Politik (wie er sie zuletzt in Davos der ganzen Welt empfahl). Paula White selbst, verheiratet mit einem Rockmusiker, fungierte unter anderem als »geistlicher Beistand« für Michael Jackson. Sie betreibt Bibelarbeit mit dem Haupteigentümer des Baseballteams der New York Yankees sowie mit Stars aus diesem Team. (S. 385f.)

Passagen wie diese (in einem Kapitel »Gott und der Supreme Court«) vermitteln immerhin ein genaueres Bild der politisch-ideologisch tief gespaltenen amerikanischen Gesellschaft. Heuchelei ist kein Privileg der »religious right«, wie der Autor im Hinblick auf Trumps bekannte Anzüglichkeiten – nicht nur durch den Verweis auf den »Monica-Lewinsky-Koridor« im Weißen Haus – belegen kann. Wenn Tochter Ivanka erzählt, Trump habe »eine unglaubliche Affinität zur Popkultur« und sei in früheren Jahren mit dem Rapper Puff Daddy unterwegs gewesen (S. 73), so mag dies die Vorstellung des in Kulturdingen bescheidenen Milliardärs bestätigen. Allerdings unterbieten Leitfiguren der Pop- und Filmszene wie Madonna oder Johnny Depp in ihren Ausfällen gegen Trump noch deutlich dessen Niveau. Wenn man hierzulande weiß, dass Trumps Anhänger – abgesehen von Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo – vornehmlich aus den Reihen der weißen Evangelikalen kommen, so übersieht man, dass zu seinem Erfolg – entscheidend waren und sind die ›swing states‹ – auch eine »National Diversity Coalition for Trump« beitrug. (S.171) Umgekehrt engagierte Barack Obama für eine Wahlkampagne einen jungen Pfarrer der erwähnten Assemblies of God.

Ein Porträt des als demokratisches Urbild eines ›Populisten‹ bekannten Andrew Jackson (›Old Hickory‹) ziert das Oval Office im Weißen Haus. Trumps Wahlsieg im November 2016 kam unerwartet und sprengte die Begriffe. Insofern ist Schwiegersohn Kushner zuzustimmen, wenn er erklärt: »Die Wahl war kein Wettstreit zwischen Rechten und Linken, sondern zwischen den Etablierten und den Außenseitern.« (S. 285) Im Wahljahr 2020 kann Trump mit ökonomischen Erfolgsdaten aufwarten, obenan die niedrigste Arbeitslosenquote seit Jahrzehnten,. Zu verdanken ist dies einerseits umfassender Deregulierung, andererseits seiner – gemäßigt – protektionistischen Abkehr von der Freihandelsdoktrin. Zu den Leistungen Trumps gehört fraglos die mit Mexiko und Kanada ausgehandelte Revision des in die Ära Clinton zurückreichenden NAFTA-Vertrags. Warum der Autor dieses neue, USMCA betitelte Abkommen in einem Kapitel, wo es auch um Kuba und die russische Unterstützung des Maduro-Regimes in Venezuela geht, als »Neuauflage der Monroe-Doktrin« bezeichnet, dürfte allerdings nur ihm selbst klar sein.

Für seinen Bewunderer Wead ist Trump ›ein Präsident des Friedens‹, den man dereinst vielleicht unter die ›großen‹ Präsidenten einreihen werde. Auszuschließen ist dies nicht, falls – wider alle Erwartungen – der von Jared Kushner ausgearbeitete Friedensplan für Israel-Palästina noch zu einem Friedenszustand im Nahen Osten führen sollte.

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