von Markus C. Kerber

Was sich in Hessen um die Rodung des Dannenröder Forstes abspielt, mutet an wie ein Schauspiel aus den 70er Jahren. In jener Zeit gewannen Politiker noch Wahlen mit dem Ausbau von Autobahnen. Doch keimte in der damals aufkommenden grünen Bewegung der Protest verbunden mit dem Zweifel daran, ob man für Schnellstraßen natürliche Ressourcen beliebig opfern dürfe. Was zu jener Zeit eine beginnende Grundsatzdiskussion war, ist intellektuell längst entschieden:

Die Zerstückelung der Landschaft durch Autobahnschneisen mit den verheerenden Wirkungen für natürliche Ressourcen und Biotope wird definitiv nicht mehr als ein erstrebenswertes Ziel angesehen. Auch bisher stolze Autobesitzer bewegen sich, wenn sie intelligent sind, vorzugsweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.

Doch beim Dannenröder Forst scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Ein Projekt, das 40 Jahre zurückliegt und sogar vom Bundesverwaltungsgericht genehmigt worden ist, wird nicht aus Einsicht in eine neue Gesamtlage aufgegeben, sondern mit großer Inbrunst fortgesetzt. Dabei sind die Waldbestände um die es geht, nicht nur für Spaziergänger und ihre Erholung erhaltenswert, sondern für die Trinkwasserreserven der nahegelegenen Stadtregionen unverzichtbar. Mit von der Partie ist die Partei der hessischen Grünen unter ihrem industrie-devoten Wirtschaftsminister. Auch die Bundesgrünen, längst ein Teil der deutschen Parteioligarchie, wollen mit den Basisprotestern im Dannenröder Forst nichts zu tun haben.

Es mag sein, dass bestimmte Protestformen ebenso vergangenheitlich sind wie das Autobahnprojekt selbst. Indessen ändert dies nichts an dem Umstand, dass es jenseits eines rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlusses für die Rodung des Dannenröder Forstes keinerlei politische Geschäftsgrundlage mehr gibt. Dass dennoch Hessen- und Bundesgrüne es den Autofahrern, die mal schnell auf der ausgebauten A49 vorankommen wollen, Recht zu machen wünschen, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Opportunismus der Grünen. Hier hilft nur Innehalten und nachdenken, wenn man seine Prinzipien nicht ein für alle Mal über Bord werfen wird:

»Der Wald steht still und schweiget,
doch er ist nicht stumm,
mit seinen Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
und wer auch kommen mag, er tröstet jeden.«

Notizen für den schweigenden Leser

Kultur / Geschichte

  • von Ulrich Schödlbauer

    Keine Kulturmacht liegt dem Menschen näher als das Vergessen... so nahe, dass er sie bei seinen Berechnungen regelmäßig vergisst. So vertraut ist ihm die dauernde Bedrohung aus den Tiefen des eigenen Unvermögens, Eindrücke, Dinge, Assoziationen und Gedankenflüsse dauerhaft und verlässlich festzuhalten, dass er nicht anders zu denken vermag, als sei Kultur die unwandelbare Verfügung über alles, was je überliefert wurde. Im kulturellen Gedächtnis, so denkt er

    ...

    Weiterlesen …

  • von Don Albino

    Wer schreibt, hat Gegner. Das ist ganz normal. Weniger normal, doch gar nicht selten ist Feindschaft, vor allem dann, wenn sie ins zweite und dritte Jahrzehnt geht: Dann wird sie mehr als lästig, bei manchen sogar gesundheitsbedrohend, vor allem dann, wenn sie sich auf flächendeckende Ignoranz stützen kann. Beschimpft statt gelesen – das trifft häufiger die guten als die miserablen Schriftsteller, weil … nun ja, weil es deutlich einfacher und überdies schneller geht. Es benötigt auch

    ...

    Weiterlesen …

Politik / Gesellschaft

  • von Severus Magnos

    Atze ist auch so einer. Kennen Sie Atze? Nein? Dann haben Sie was verpasst! Der Typ ist ein echtes Vorbild – seit Jahren alimentierter Künstler, eigentlich Bürgergeldempfänger, weil seine »kreativen Jahre« schon lange im Museum der Vergangenheit verstauben. Sein einziger Kumpel ist ein kleiner Hund, der ihn komplett an der Leine hat. Wenn Matze vor ihm steht und mit rehbraunen Kulleraugen um Futter bettelt, dann kann er einfach nicht »Nein!« sagen. Gleich denkt er daran, wie

    ...

    Weiterlesen …

  • von Jobst Landgrebe

    Seit Mitte der 1990er Jahre ist der Markt für Mobiltelefonie stetig gewachsen, nach einiger Zeit gab es keine Telefonzellen mehr, und seit zehn Jahren verzichten immer mehr Privatpersonen auf einen Festnetzanschluss, da die meisten ein Mobiltelefon haben – ohne Mobiltelefon ist die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben deutlich schwieriger. Videoübertragung hat einen sehr hohen Bedarf an Datenübertragung geschaffen, der schließlich zur Einführung des 5G Mobilfunkstandards

    ...

    Weiterlesen …

Souverän für Amerika

  • von Vade Retro

    Die Welt ist ein Dschungel, sprach das Eichhörnchen und verschwand im Wipfel des Baumes, wo bereits Shir Khan, der Herrscher der Wildnis, auf es wartete und es verdrückte.

    Verdrück dich selbst, entfuhr es dem Straßenarbeiter, der die Szene beobachtet hatte, und er warf die Maschine an, die er beherrschte. Sie war groß und stark und kein Dschungel war ihr gewachsen. 

    Amerika ist groß, seufzte der Dschungel, wer mich für die Welt hält, der muss eine beschränkte Weltsicht sein eigen

    ...

    Weiterlesen …

Iablis. Jahrbuch für europäische Prozesse

Besprechungen

  • von Felicitas Söhner

    Karol Czejarek: Autobiografia. Moja droga przez zycie, Zagnansk (Swietokrzyrskie Towarzystwo Regionalne) 2024, 414 Seiten

    Autobiografien sind ein schwieriges Genre. Zu oft geraten sie zur Selbstbeweihräucherung oder versacken in endlosen Anekdoten. Karol Czejareks Mein Weg durch das Leben aber macht es anders. Das vor kurzem auf polnisch erschienene Werk ist nicht bloß eine Erinnerungsschau, sondern ein Dokument, das ein Jahrhundert europäischer Geschichte durch ein

    ...

    Weiterlesen …

  • von Ulrich Schödlbauer

    Jobst Landgrebe / Barry Smith: Why Machines Will Never Rule the World. Artificial Intelligence without Fear, 415 Seiten, New York und London (Routledge), 2. Auflage 2025

    Einst stellte Noam Chomsky die Frage: »Who rules the world?« Bis heute gibt es darauf eine klare und eindeutige Antwort: Solange keine Weltregierung existiert, niemand. Allerdings hat sich, so weit westliche Machtprojektion reicht, eine etwas andere Auffassung festgesetzt. Sie lautet: Wer sonst als die

    ...

    Weiterlesen …

  • von Herbert Ammon

    Jörg Baberowski: Der sterbliche Gott. Macht und Herrschaft im Zarenreich, München (Verlag C.H.Beck) 2024, 1370 Seiten

    Hierzulande löst der Name Carl Schmitt – assoziiert mit der Negativfigur des ›Kronjuristen des Dritten Reiches‹ – gewöhnlich nur moralische Entrüstung aus. Grundlegend für Schmitts politische Theorie sind Begriffe aus dem Leviathan, dem Werk des Verteidigers des Stuart-Absolutismus Thomas Hobbes. Entgegen dem demokratischen Selbstbild – der im

    ...

    Weiterlesen …

  • von Vade Retro

    Arnold Schelsky: The Hype Cycle. Uppers and Downers in Our Bipolar Culture, Chicago (Carus Books) 2025, 320 Seiten.

    Was ist ein Hype? Wie bei Allerweltswörtern üblich, reicht die Bedeutung weit über das ursprüngliche Feld – in diesem Fall das der Werbung – hinaus. Sie reicht von gruppenbezogener ›künstlicher Aufregung‹ bis zu mittleren und schwereren Fällen von künstlich ausgelöster ›Massenpsychose‹, ›Massenhysterie‹ und dergleichen. Es handelt sich also um Emanationen der

    ...

    Weiterlesen …

Manifesto Liberale

 

Herbert Ammons Blog: Unz(w)eitgemäße Betrachtungen

Globkult Magazin

GLOBKULT Magazin
herausgegeben von
RENATE SOLBACH und
ULRICH SCHÖDLBAUER


Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Sie sind essenziell für den Betrieb der Seite (keine Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.