von Gunter Weissgerber

AfD erstmals vor der SPD titelte die FAZ am 19.02.2018. Die seit September 2015 anhaltende Erosion des ›politischen Bodens‹ der Bundesrepublik hat die SPD nun endgültig erreicht. Ich bin nicht mehr sicher, ob das noch an Nahles, Schulz oder Bebel liegen mag. Diese Frage ist jetzt völlig gleichgültig. Die SPD hat noch 460 000 Mitglieder und das sind in der großen Mehrheit absolut sicher nicht die schlechtesten Vertreter der Spezies ›bundesdeutscher Mensch‹. Was ist hier los?

Seit 2015 rutscht die SPD gnadenlos weg. Erstder zwanghafte Gesellschafts-Architekten-Kurs pro RRG (dabei liegen Lichtjahre zwischen dem Freiheits-Rot der SPD und dem Gesellschafts-Homogenisierungs-Rot der Linken), dann die SPD-bewillkommnete Völkerwanderung, der Verschweigens-Wahlkampf und jüngst die Krone all dieser politischen Inkompetenz mit dem Krampf für mehr Zuwanderung und noch mehr Geld nach Brüssel in den GroKo-Verhandlungen. Das alles ist der blanke Wahnsinn, dokumentiert im Wirrkopf-Verhalten der SPD seit dem 24.9.2017. Auch ich schwanke zwischen der Verantwortung für die Stabilität der Bundesrepublik und meinem tiefen Ärger über den Kampf der SPD-Führung gegen die Windmühlen der Wählerstimmungen, die ihre SPD nicht mehr begreifen. Es ist hart.

Freunde aus Jahrzehnten, ja auch in meinem Fall als Ostzonendödel sind es schon Jahrzehnte, sozialdemokratischer Gemeinsamkeit schrieben mir ihre Gedanken zum SPD-Mitglieder-Entscheid und üben ihre Hoffnungen daran. Ich lasse ihren Gedanken hiermit freien Lauf.

Eine Ablehnung der GroKo stürzt die SPD über die bestehende große in eine dann existenzielle Krise infolge einer Minderheitsregierung. Extern wird es – nach der kurzen Zeit einer Minderheitsregierung – zu Neuwahlen kommen. Im parteiinternen Aufstellungsprozess wird es zu einer Ab›reihung‹ der Mehrzahl der bisherigen modern denkenden ›Godesberger‹ Kandidaten kommen, die linken, fundamentalistischen Ortsvereine werden durchwählen. Im Ergebnis wird es eine SPD geben, die in ihrer Flüchtlingspolitik keinerlei Unterschiede mehr zu den GRÜNEN und in ihrer Sozialpolitik keinerlei Unterschiede zur SEDLINKEN mehr aufweisen wird. Letzteres gilt auch für die Außen- und Sicherheitspolitik: Weitere Einschränkung des Beitrages für NATO, EU und Bundeswehr, ein Abbau der Sanktionen gegen Russland, eine weitere Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen werden die programmatischen Folgen sein. Die SPD würde damit zunehmend ihre ›Europafähigkeit‹ aufs Spiel setzen. Lafontaine wäre seinem Ziel nahe.

Mit Eingehen in die GroKo wird eine starke Achse pragmatischer Kräfte gebildet: Nahles und Scholz (die bei NoGroKo in der Versenkung verschwinden werden). Zusammen mit MP Weil und den moderat Linken Gümbel und Groschek, die den Stegnerflügel einbinden werden, wird es eine mittige SPD geben, deren Bildung allein wenigstens die Chance auf einen Verbleib in der Klasse der Volksparteien bietet.

Die GroKo-SPD wird allerdings durch Zonen höchster Turbulenzen gehen. Der Kampf der NoGroKo wird vom ersten Tag an die Diskussion bestimmen und durchgängig anhalten. Hält die Führungsspitze durch – und ich traue es ihr zu – wird es u.U. zu einer Spaltung der SPD kommen: Die Gegensätze in der Partei sind noch größer als zu Zeiten der Hartz IV Gesetze (meine Beobachtung auf den letzten Diskussionsabenden in München) und werden sich entladen. Aber in den anstehenden Landtagswahlen werden vor allem linke Landesparteien Schaden nehmen: Bayern als erstes, Hessen danach.

Die Neuausrichtung der SPD – in beiden Fällen – ist eine Schimäre:

Für die NoGroKOs bedeutet sie eine zukünftig intransigente, programmatisch verankerte Politik einer Art Neosozialismus – aber nicht den, der WB vor Augen schwebte, als er den Begriff ›demokratischer Sozialismus‹ verwendete. Es bedeutet für sie endlich die Durchsetzung einer pazifistischen Außen- und Sicherheitspolitik und die massive Ausdehnung des Staates in alle Lebensbereiche.

Für Teile der GroKos bedeutet sie ein Godesberg II, also die moderne Ausrichtung der Sozialen Demokratie in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung, mit einer weit stärkeren Betonung des Begriffes der Freiheit in gesellschaftlichen und sozialen und governmentalen Politikfeldern als bisher, mit einer festen Verankerung Deutschlands in der westlichen Welt und ihren Bündnissen, mit einer klar auf die Europäische Gemeinschaft ausgerichteten Politik.

Mit ›Neuausrichtung‹ werden also von den beiden Flügeln diametral unterschiedliche Dinge verstanden!

Fazit: Auch wenn viele Gründe gegen das GroKo-Regierungsprogramm sprechen – fehlende Migrationspolitik, miserable Energiepolitik, unklare Außenpolitik, ausufernde bzw. nicht-fokussierende Sozialpolitik – muss die Alternative jeden Sozialdemokraten erschauern lassen.

Koalitions-Vertrag– Ja oder Nein?

Diese Entscheidung fällt jedem schwer, der es gut mit seiner Partei meint. Und wenn er auch an unser Land und an Europa denkt. Dieser Artikel soll zur Orientierung in der so komplexen Problematik dienen. Es soll von vornherein nicht verhohlen werden, dass der Verfasser ein JA empfiehlt; doch er behandelt alle Aspekte, die positiven wie die negativen und lässt auch mal manche Frage offen.

Bei der Diskussion vermischen sich zwei Kriterien: Ist eine GroKo überhaupt sinnvoll und wenn ja, ist dieser Vertrag akzeptabel? Sie sollen einzeln behandelt werden.

Zur Grundsatz-Entscheidung über eine GroKo:

Nach langem Ringen hat der Sonderparteitag im Dezember den Auftrag für Sondierungs-Verhandlungen erteilt, der drei Optionen enthielt. Eine dieser Optionen war eine GroKo. Sie wurde also vom Parteitag keineswegs grundsätzlich ausgeschlossen. Nachdem die andere Option der Duldung einer Unions-Minderheitsregierung nicht realisierbar war, blieb die Entscheidung: Eine GroKo auf der Grundlage des nachzubessernden Sondierungs-Papiers oder der Gang in die Opposition.

Aber auch das muss in der Diskussion um eine Minderheitsregierung bedacht werden: Eine Minderheitsregierung trägt ihr Verfallsdatum bereits ab der Wahl der Minderheits-Kanzlerin mit relativer Mehrheit in sich. Spätestens in den Haushaltsberatungen für den Bundeshaushalt 2018, im Moment kann die geschäftsführende Bundesregierung nur nach den Vorschriften der vorläufigen Haushaltsführung agieren, wird die Minderheitsregierung mit ihren Minderheitsministern scheitern. Spätestens dann wird der Bundespräsident Neuwahlen binnen 60 Tagen anberaumen müssen. Da die SPD ihre Positionen zur Zuwanderung augenscheinlich nicht korrigieren will, dürfte sie um ihrer Selbst willen nicht auf Neuwahlen hoffen. Noch ist Glut im Ofen, noch lassen sich wichtige Projekte real schmieden. Eine SPD-Glut unter den Bedingungen eines neuerlichen Wahlkampfes wird es außerhalb der SPD eher nicht mehr geben. Es stehen für die SPD tatsächlich 155 Jahre deutsche Sozialdemokratie auf dem Spiel. Ein Ausscheiden der SPD als wichtiger Player der Bundesrepublik wird auch die Statik Deutschlands verändern. Und das sicher nicht zum Vorteil dieser Republik.

Gehen wir die Argumente noch einmal durch:

Kein Zweifel, dass die letzte GroKo der SPD nichts genützt hat. Doch das lag vor allem an der SPD selbst, die ihr Licht unter den Scheffel gestellt hat. Trotz vieler Erfolge gelang es nicht, in der öffentlichen Wirkung aus dem Schatten Merkels zu treten. Doch weitaus gewichtiger war die Tatsache, dass sich die ›kleinen Leute‹ von der SPD vernachlässigt fühlten. Egal, ob zu Recht oder nicht: Diese Auffassung besteht nun einmal – mit ein Faktor für den Anstieg der AfD. Das alles muss diesmal anders werden. Sonst brächte eine weitere GroKo der Partei nichts ein.

Die Aussichten sind jedoch nicht schlecht: Die Partei dürfte gelernt haben, mehr über ihre Erfolge und weniger über das Nichterreichte zu reden. Die Fernziele sollen nicht verschwiegen werden, doch sie sollten nicht als Maßstab für das Erreichte dienen. Vielmehr sollte das Erreichte als Schritt zum Fernziel dargestellt werden. Und die ›kleinen Leute‹ ebenso die Mittelschicht mit ihren Zukunftsängsten müssen angesprochen werden.

Die SPD war seit 1863 hoch angesehener Partner der eigenen Bevölkerung. Die Formulierung deutscher Interessen in Ausgewogenheit mit den internationalen Erfordernissen gelang der deutschen Sozialdemokratie über anderthalb Jahrhundert, ihre Kanzler gehören zu den weltweit anerkannten deutschen Politikern. Jedermann weiß, ein anerkannter Kanzler kann nur sein, der eine ebenso anerkannte Partei vertritt und mit sich weiß.

Der Autoritätsverlust und der abzusehende Abgang Merkels dürften es der SPD erleichtern, ihr Profil zu schärfen. Die Position des Finanzministers dürfte ohnehin zur Einhegung von Merkel dienen. Die Kritik in der Union gegen diese Entscheidung zeigt das zur Genüge. Es gibt also keinen Automatismus, dass eine GroKo der SPD auf jeden Fall schadet.

Das Argument, dass sie der Demokratie schade, klingt aus dem Mund derer, die sich bei dieser Frage allein auf das Wohl der SPD fixieren, nicht gerade überzeugend. Was in der gegenwärtigen Situation der Demokratie schadet, ist die aktuelle Hängepartie; je länger sie andauert, desto mehr schadet sie. Das gilt auch für den Fall einer tolerierten Minderheitsregierung, die in einem ewigen Gezerre recht bald enden würde. Für das Scheitern einer Minderheitsregierung würde die SPD übrigens vom Wahlvolk ebenso mit in Verantwortung genommen werden. Die Leute haben es nämlich satt.

Der Hinweis auf die Notwendigkeit einer stabilen und international handlungsfähigen deutschen Regierung wird von Gegnern der GroKo gern als unerheblich abgetan. Doch das ist sie keineswegs. Allein die dringend anstehenden Entscheidungen über Europa beweisen das.

Ohnehin sind viele wirtschafts- und sozialpolitischen Forderungen der SPD, die auf die Abwehr negativer Folgen der Globalisierung und die Zähmung des Kapitalismus gerichtet sind, nicht allein auf nationaler Ebene zu lösen, sondern leider nur international. Gerade dafür braucht es aber eine handlungsfähige Bundesregierung unter sozialdemokratischem Einfluss. Sollen wir darauf 8 Jahre warten? Ist es das, was unsere Wähler wollen?

Die aktuellen Umfragen sollten ein Warnsignal sein. Die Umfrage-Ergebnisse waren vorher schon mies. Welcher Wähler will einer Partei die Führung des Landes anvertrauen, die nicht weiß, was sie will! Und die den Eindruck erweckt, am liebsten gar nicht zu regieren, solange sie keine absolute Mehrheit hat.

Schließlich wird apodiktisch behauptet, nur in der Opposition könne die SPD sich erneuern. Punktum. Kevin Kühnert, der das meint, ohne es belegen zu können, sollte sich an das erinnern, was er selbst am 16.2. 2018 bei Lanz gesagt hat: »Man sollte in der Politik mit absoluten Aussagen vorsichtig sein«!

Zumal sich sein Drang zur Opposition mit seiner Behauptung »Eine Minderheitsregierung ist die beste Option« (SPON,10.10. 2017) beißt. Eine Minderheitsregierung könnte nicht die notwendige Stabilität bringen. Sie wäre dauernd auf Kompromisse mit der einen oder anderen Oppositions-Partei angewiesen. Sehr fraglich, ob so der vermisste ›Große Entwurf‹ zustande käme. Es ginge auch hier erst recht um das verfemte ›Klein-klein‹. Fraglich auch, ob die SPD davon wie gewollt profitieren würde.

Ob bei einigen dahinter auch der Plan steckt, die Union in die angreifbare Position zu drängen, dass sie bei einzelnen Gesetzen nicht nur auf die Stimmen der FDP, sondern auch der AfD angewiesen wäre, ist offen.

Aber immerhin: Keiner kann sicher wissen, was für die SPD am besten ist. Man sollte sich daher auf die Faktoren konzentrieren, statt pauschale Behauptungen in die Welt zu setzen:

- So wichtig diese Erneuerung ist, so kann sie doch nicht voraussetzen, dass sich die Partei zur Nabelschau für mehrere Jahre aus der Verantwortung zurückzieht. Bisher war nur von einer Legislaturperiode die Rede, neuerdings sogar von zweien. Kein Wähler wird das verstehen.
- Kühnert: ›Heute ein Zwerg sein, um künftig wieder Riesen sein zu können.‹ Dieser messianischen These, fehlt jegliche Begründung. Zum Riesen zu werden, würde ja heißen, nicht nur zu 30 oder gar 40 Prozent zurückzuerlangen, sondern am liebsten zur absoluten Mehrheit, um dann kompromisslos durchregieren zu können. Sollen wir dem Wähler signalisieren, dass seine Stimmabgabe nur Sinn hat, wenn wir mindestens 40 Prozent bekommen, sonst könne er das gleich bleiben lassen?
- Dieser Weg zum ›Riesen‹ wird vorsichtshalber nicht skizziert. Dass es dabei auch Probleme gibt, gibt selbst Kühnert zu: Manchem wird es wehtun. So sichert er sich schon mal gegen spätere Vorwürfe ab. Z.B., wenn es mit dem Weg zum völligen Zwergentum erst mal weitergehen sollte.
- Doch wie soll sein Weg zum Riesen gelingen? Mit welcher Strategie? Wer schrittweise Verbesserungen, die in der Summe eine große Reform der Gesellschaft ergeben, ablehnt, muss sein Heil in der Rückkehr zum ›Klassenkampf‹ suchen. Doch die Uhr lässt sich nicht um ein Jahrhundert zurückdrehen. Schon damals fehlte ohnehin der Klasse, die noch die Mehrheit stellte, das vermeintliche ›Klassenbewusstsein‹. Das ließ sich auch nicht durch Klassenkämpfe erzeugen. Das allerdings war schon 1969 die Erwartung der Juso-Revolutionäre. Ihre Wiederbelebung des Marxismus scheiterte aber schon an ihren Flügelkämpfen.
- Heißt die Strategie etwa: Es muss erst mal alles schlimmer werden, damit es anders wird? Bleibt also nur die Hoffnung auf den großen wirtschaftlichen Kladderadatsch. Doch kommt er, wann kommt er? Wird er von der Mehrheit der Wähler auch als solcher wahrgenommen? Und wenn ja, könnten dann nicht auch ganz andere davon profitieren? Egal, was wir machen.

Nun zum Koalitionsvertrag

Auch seine Gegner leugnen nicht, dass er fortschrittliche Lösungen enthält. Wobei für sie der Streit um das Nicht-Erreichte das überschatten soll, was erreicht wurde. Genau das will Kühnert, um so auch diejenigen, die nicht prinzipiell gegen eine GroKo sind, auf seine Seite zu ziehen. Wenn gefordert wird, sich jetzt nur auf die Sachfragen zu konzentrieren, so ist das richtig hinsichtlich der Personalquerelen, doch es darf nicht bedeuten, die Folgen der Entscheidung ebenso auszublenden. Im Gegenteil: Die Partei operiert ja nicht im luftleeren Raum.

Doch konzentrieren wir uns auf das Strittige:

- Vorab: Die drei Forderungen, die vom Parteitag mit auf den Weg gegeben worden sind, waren bewusst nicht als Rote Linien, als unabdingbare Forderungen gedacht.
- Der fehlende ›Große Wurf‹

Dem Koalitionsvertrag wird vorgeworfen, er beschränke sich auf das Klein-Klein, auf Spiegelstriche. Doch mehr war eben bei 20,5 Prozent nicht drin. Doch gerade das Klein-Klein ist eine Garantie dafür, dass die Umsetzung des Vereinbarten eben nicht am Streit um die Spiegelstriche scheitert, wie es zuletzt oft der Fall war.

Doch mit der Kritik am Klein-Klein wird auch die Kritik an dem Fehlen eines ›Großen Entwurfs‹, einer Vision, verbunden. Dankbar steigen die Medien da ein. Endlich weg von den lästigen, Fachwissen erfordernden Einzelproblemen. Doch jedes Mitglied eines Stadtrats, eines Betriebsrats, weiß nur zu genau, dass es so nicht geht. Im Detail liegt der Hase eben im Pfeffer. Und nur, wer sich ums Detail kümmert, erwirbt das Vertrauen derer, die ihn gewählt haben. Für eine Vision, die man in der Opposition heranzüchtet, ist der Wähler nicht zur Wahlurne gegangen. Was hilft dem in der Wüste verdurstenden Wanderer? Eine Fata Morgana am fernen Horizont oder erst mal eine Flasche Wasser?

Das Ausbleiben einer großen Vision muss ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass man sich planlos nur an den Tagesproblemen abarbeitet. Die tägliche Arbeit kann sich eben auch an einem großen strategischen Ziel orientieren, in seine Verwirklichung einordnen. Genau ein solches Ziel bietet aber die Programmatik der SPD.

- Beschränkung der grundlosen Zeitverträge:

Hier ist unbestreitbar ein großer Schritt gelungen. Sicher hätte er noch etwas größer werden sollen, aber er bringt trotzdem spürbare Fortschritte.

- Bürgerversicherung:

Als Prinzip nicht durchsetzbar. Damit war von Anfang an zu rechnen. Doch das Ziel ist ohnehin so komplex und nur als Jahrzehnte-Reform zu verwirklichen, dass schon die Kommission, die zu weiteren Schritten veranlassen dürfte, einen brauchbaren Einstieg bietet.

- Familien-Nachzug:

Bleibt, wenn auch leingeschränkt, leider erhalten. Aber ob es klug war, diesen Punkt so in den Mittelpunkt zu stellen, gleichrangig mit zentralen sozialen Fragen, ist freilich fraglich. Denn so wurde sie zum Symbol der Flüchtlings-Politik überhaupt. Und gerade in dieser Frage ist unsere Gesellschaft tief gespalten – auch die alte Wählerschaft der SPD und viele derer, die wir ansprechen müssen. ›Tiefer hängen‹ wäre hier also angesagt. Die alte Wählerschaft fühlt ihre SPD-Anhänglichkeit über Jahrzehnte seitens der SPD aufgekündigt. Die großen Kanzler Brandt und Schmidt mit ihren warnenden Argumenten gegenüber einer Massenzuwanderung wären heute Parias innerhalb der SPD. Muss das nicht zu denken geben?

Zur Juso-Kritik an der Groko

Doch die Jusos begnügen sich nicht mit der Kritik an den Ergebnissen der drei zentralen Punkte. In einem umfangreichen Papier haben sie viele Dutzend einzelner Kritikpunkte recht unterschiedlicher Natur an den Vereinbarungen ins Netz gestellt. (https://www.jusos.de/content/uploads/2017/12/koaV_synopse.pdf)

Dazu nur kurz:

  • Viele dieser Punkte entsprechen durchaus der sozialdemokratischen Programmatik. Schön, wenn man sie durchsetzen könnte. Das aber würde zumeist voraussetzen, dass die SPD mehrere Male nacheinander die absolute Mehrheit hätte. Ob es weise wäre, alle diese Punkte in ein aktuelles Wahlprogramm aufzunehmen, ist jedoch m.E. fraglich.
  • Über das Wahlprogramm für 2017 gehen sie zudem oft hinaus, ihre Erfüllung jetzt dennoch einzufordern, ist nicht legitim.
  • Viele Punkte sprengen einfach den nationalen Rahmen. Eine Finanzmarkt-Kontrolle kann z.B. nur international durchgesetzt werden. Und wenn beklagt wird, dass der Vertrag kein Konzept für einen europaweiten Atom-Ausstieg enthalte, so spricht auch das für mangelnden Realitätssinn.
  • Unredlich wird es, wenn behauptet wird, der Vertrag enthalte doch eine Obergrenze für Flüchtlinge.
  • Fragwürdig ist es, wenn kritisiert wird, dass bei der Grundrente eine Bedürftigkeits-Prüfung stattfinden soll.
  • Schließlich wirft eine Kritik zentrale Fragen auf:
    Es gebe ›keinen Plan für eine Wirtschaft, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert‹. Was soll das nun heißen? Etwa eine Absage an eine Marktwirtschaft, eine Bejahung der Planwirtschaft? Da haben die Jusos noch viel Arbeit vor sich, die nicht mit Ideologie beantwortet werden sollten.

 Auch wenn nicht alles zu unserer vollen Zufriedenheit erreicht worden ist, so muss man sich wohl überlegen, ob das Nicht-Erreichte ein Nein rechtfertigt. Das gilt vor allem für die Folgen – für die Partei und für das Land. Sollte Deutschland im März keine stabile Regierung oder gar für viele Monate in Hinblick auf Neuwahlen gar keine Regierung haben, so dürfte vom Wähler die Schuld daran der SPD angelastet werden.

Wenn Kühnert meint, die aktuell niedrigen Umfragewerte von nur noch 16 Prozent für die SPD hätten mit der No-Groko-Debatte nichts zu tun, sondern seien die Quittung für die letzten 20 Jahre (rp- online, 18.2), so verkennt er völlig die Tatsachen und versucht, den Mitgliedern etwas vorzumachen.

Das Wahlergebnis ist Anlass zur Gewissenserforschung für alle Mitglieder Da kann es keine einfachen Antworten geben. Erst reckt keine ideologisch begründeten.
Das Absacken unter das Wahlergebnis hat jedoch leicht erkennbare Gründe:

  • Das Zaudern der SPD nach dem Scheitern von Jamaika
  • Die Personal-Querelen der letzten Woche.
  • Beides hat die Wähler an der SPD, an ihrer Handlungsfähigkeit und ihrer Geschlossenheit zweifeln lassen.

 

Beides hat auch viele Mitglieder beunruhigt, ja wütend gemacht. Aber wenn die SPD jetzt entschlossen einen Schritt nach vorne – zur Regierungs-Verantwortung – macht und eine stabile, starke Führung bestimmt, so ist der erste Schritt zur Wiedergewinnung des Vertrauens getan. Wenn sie sich dann auf die wichtigsten Fragen konzentriert, die Vereinbarungen durchsetzt und sich nicht immer wieder mit Vorwürfen aus den eigenen Reihen, das alles genüge noch lange nicht, öffentlich auseinandersetzen muss, dann ist der Nächste Schritt getan.

Kühnert-Zitate:

Am 15.2 bei Maybrit Illner: Gefragt, wie er sich eine linke Mehrheit vorstelle, verwies Kühnert darauf, dass eine solche Mehrheit ja schon im letzten Bundestag vorhanden war. Die Aussage war deutlich: Er will eine r-r-g-Koalition. Und die soll wohl schon durch eine gemeinsame Oppositions-Politik vorbereitet werden. Das ist also das Motiv vieler, wenn auch längst nicht aller, GroKo-Gegner.

»Aus Hasenfüßigkeit immer wieder in die Große Koalition zu gehen, weil man glaubt, alles andere sei noch schlimmer: Das verzwergt die SPD auf Dauer. Und deshalb bin ich dafür, diesen Teufelskreis jetzt einmal zu durchbrechen, die Schmerzen, die damit verbunden sind, in Kauf zu nehmen und endlich den Blick zu weiten für eine Neuausrichtung dieser Partei.« (Tagesschau, 18.1.2018)

Niemand solle sich weismachen lassen, dass Chaos ausbreche, wenn die SPD-Mitglieder mehrheitlich gegen die Groko stimmten. Es gebe keinen Automatismus für Neuwahlen, die Verfassung schreibe genau vor, was dann zu geschehen habe. Auch dass die AfD entscheidend gestärkt würde, hält Kühnert für unrealistisch.

Der Tenor an diesem Abend ist, es anders zu machen, ein Wunsch nach großen Ideen und den Mut, sie umzusetzen. Kevin Kühnert personalisiert diesen Wunsch. Seine Frage: »Wer sollte das machen, wenn nicht wir Sozialdemokraten?«, erntet energischen Beifall. (Faz-net. 14.2.2018)

Auf Böhmermanns Frage, ob die SPD nach einem Ausstieg aus der Groko denn tatsächlich links werde, antwortete Kühnert: »Ich will nicht vorher verraten, was da für geile Sachen kommen.«

»Wenn wir Politik machen, weil wir Angst vor etwas haben, dann sind wir verloren«, sagt Kühnert. (Cicero, 14.2.2018)

Einige kritisieren Kühnert persönlich, vor allem auf Facebook und Twitter wird seither gestritten. Den Anfang machte am Wochenende die Hamburger Juso-Vorsitzende Armita Kazemi. Sie bemängelt Kühnerts kategorisches Nein zur GroKo. »Kevin Kühnert und viele andere Jusos waren schon vor ersten Ergebnissen per se dagegen«, sagte sie dem ZDF. Seitdem hat Kazemi viele Nachrichten von wütenden Jusos und SPDlern bekommen. Sie sei als »niederträchtige Umfallerin« bezeichnet worden, sagt Kazemi zu bento. (Bento, 13.2.2018)

Soweit die Gedanken meiner Freunde. Nun ich wieder. Die Bundesrepublik und die SPD sind eng miteinander verwoben. Fällt eine Strömung wie die Sozialdemokratie aus, wird auf Dauer an dieser Stelle kein Vakuum bleiben. Andere, ganz Andere werden in die Lücke strömen. So geschieht es seit 2015 rechts der inzwischen linken wie grünen CDU, so wird es dort geschehen, wo die deutsche Sozialdemokratie einmal Bastion von Freiheit, Demokratie und sozialem Ausgleich in Sicherheit war.

Die SPD-Mitglieder spielen im Moment gesamtstaatliches Schicksal. Weiß das die SPD-Führung? Wissen das alle Mitglieder? Besitzt die SPD die Führung, die sie für die kommende Zeit für diese Republik braucht oder wären komplette Vorstandsneuwahlen am 22. April 2018 nicht wünschenswerter statt nur Martin Schulz zu ersetzen?

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