von Ulrich Schödlbauer

Dass Verlage und ihre Autoren sich auseinanderleben, ist nichts Neues. Auch nicht, dass es hinter der Kulisse aus munteren Buchprospekten gelegentlich hoch her geht (von den menschlichen Niederungen erst gar nicht zu reden). Es gehört zu den Usancen der Zunft, dass man, wenn denn auseinandergegangen werden muss, dies in gebührender Form über die Bühne bringt, denn beide Seiten wissen, dass die Seele ihres Geschäfts das Prestige ist. Was immer hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird: Man lässt dem anderen das Gesicht. Der Hinauswurf einer altgedienten Erfolgsautorin aus politischen Gründen, noch dazu dem schäbigsten von allen, Hörigkeit gegenüber einem rauschhaft auf Exklusion drängenden Zeitgeist, ist da ebenso ungehörig wie ungewöhnlich.

Zu diesem Usus passt nicht ganz, was am 18. 10. 2020 in einem Welt am Sonntag-Interview mit der Autorin Monika Maron zu lesen steht:

»Monika Maron: Weil mir Fischer die Zusammenarbeit aufgekündigt hat. Nach 40 Jahren, von denen 38 glücklich und erfolgreich waren. 38 Jahre, in denen ich mich im Verlag, der auch in schwierigen Zeiten immer zu mir gehalten hat, wirklich beheimatet gefühlt habe, wofür ich zutiefst dankbar bin. Mein Lektor war beauftragt, mir die Nachricht von meinem Rausschmiss telefonisch zu übermitteln, vermutlich er, weil wir ein sehr gutes Verhältnis zueinander hatten. Als Autorin bin ich nun heimatlos, was mit 79 Jahren durchaus eine Frage der Existenz ist.«

Es passt nicht ganz, und zwar auf beiden Seiten (von denen hier nur eine zu Wort kommt). Man würde anders darüber denken, wäre aktuell nicht die von Veranstaltern, Universitäten und eben auch Verlagen geübte Cancel Culture in aller Munde. Die Details, welche die Autorin zu ihrem Fall zu berichten hat, weisen in diese Richtung. Das mag richtig oder übertrieben oder falsch sein, in jedem Fall wirft es einen Schatten auf den Verlag, der einen solchen Verdacht überhaupt erst aufkommen lässt.

So hat es auch der Autor Boris Blaha verstanden, der sich mit einem Offenen Brief an die Verantwortlichen beim S. Fischer Verlag wendet, worin es heißt:

»… der Rausschmiss von Frau Monika Maron ist an Niedertracht nicht mehr zu überbieten und zwar nicht nur, was den Umgang mit einer Person anbelangt, die seit vierzig Jahren Autorin beim S.Fischer Verlag ist und gegenwärtig zu den wenigen prominenten Stimmen gehört, die verstehen, was auf dem Spiel steht, sondern mehr noch, was den Zeitpunkt anbelangt.

Zu den beunruhigendsten Erfahrungen der Gegenwart gehört, dass die Generationen heute noch erheblich leichter ideologisierbar sind als die Generationen von 1933, was den Analysen von Hannah Arendt eine geradezu unheimliche Aktualität verleiht.

Nun muß man auch einer Verlagsleitung wie jedem anderen auch, die Freiheit zugestehen, Fehler zu machen. Sollte der Verlag diesen Kardinalfehler nicht in kurzer Zeit korrigieren, würde ich es für angemessen halten, wenn der S. Fischer Verlag in Vergessenheit gerät und wir Monika Maron in andenkender Erinnerung halten.«

Der Vorgang ruft, neben dem politischen Aspekt, in Erinnerung, dass heutige Verlage vor allem Werbeplattformen in eigener Sache sind, die ihren Autoren Anteile an ihrer Marktpräsenz verkaufen. Das Buch, das gute Buch, die Schatztruhe der vielerlei Wahrheiten existiert nicht mehr. Das, was nach wie vor über den Buchhandel oder Amazon verkauft wird, ist bloß der ›ordentliche‹ Ausdruck einer Datei, die auf multiplen Wegen ihre Leser erreichen könnte. Soll heißen, dem Vorgang des Buchdrucks selbst wohnt keinerlei aufklärerische Bedeutung mehr inne. Das Verlagswesen ist vom Verbreiter zum Flaschenhals seriöser Literatur geworden. Der Leser sollte das im Hinterkopf haben, will er das Verhalten von Massenverlagen und die Mentalität ihrer ›Macher‹ verstehen. Man muss sehr wenig von einer Literatur à la Maron, man muss sehr wenig von seinen Autoren insgesamt halten, um so wie in diesem Fall zu verfahren. Schlimmer: Es muss einem vollkommen gleichgültig sein. Es steht zu fürchten, die Autoren wissen das längst. Nur fällt ihnen nichts dazu ein.

Audiatur et altera pars.

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