Europa hat zu lange auf die feinen Unterschiede gestarrt, jetzt überraschen es die groben. Manchmal ist es die Zeit, die sich parodiert, manchmal sind es die Zeiten. Doch doch, da besteht ein Unterschied: Was als Tragödie beginnt und als Farce endet, das nennen manche Geschichte. Was als Farce beginnt, wie wird man es nennen? Wie vieles, das gern gesagt werden möchte und im Herauskommen verdirbt: schwer zu sagen. Bliebe es doch ungesagt! Aber wäre das eine Lösung? Natürlich nicht, denn heraus kommt alles. Bloß wie und wo, das macht fremde Gedanken. Wer die Fassung verliert, hat schon verloren. Wer die Fassung wahrt, der gewinnt Zeit. Vielleicht hat er bereits verloren, dann zählt sie doppelt. Fragt sich: Wer ist der Zähler? Was, wenn gerade er nicht zählt? Solche Fragen überfordern den Menschen leicht und er wünscht sich, es wäre Abend.

1

Die Trauergäste im Zoo
bezeugen dem Löwen Respekt,
der seinen Pfleger anfiel.

Sie empfinden Verständnis
für die Lage des Tieres.

Kompliziert wird die Sache,
geht es um Menschen.

2

Kommt einer zu Schaden
gibt es Nachfragen. 
Kommen mehr zu Schaden
gibt es Groll. 
Kommen viele zu Schaden
kippt leicht die Stimmung.

Das ist der Weg
den die Sache nimmt.
Welche Sache?

Die Sache des Leichtsinnigen,
der sich schwer nimmt.

Die Sache des Schwerblütigen,
der die Dinge leicht nimmt.

3

Mit dem Ohr am Volk
bückt sich der Witzige.

Mit dem Buch in der Tasche
sinniert der Gendarm.

Der eine sieht die Flut
und sie macht ihm bang.
Der andere sieht die Ebbe
und was zurückblieb.

Beide sehen
einander an.
Keiner versteht
was der andere sagt.

Beide heizen
einander auf.

4

Einige meinen
sie könnten vergessen machen,
was sich mit ihrem Namen verband
und ziehen es
als Schelle hinter sich her.

5

Wer in Gesichter sieht,
sieht selten die Wahrheit,
die aus ihnen blickt.

Wer vorwärts gehen will,
muss wissen, was vorn liegt.
Wer nicht zurück will,
muss wissen, was hinter ihm liegt.
Das sagt sich leicht
und manch einer denkt:
Kein Problem.

Sage mir, wer du bist
und ich sage dir, wer dich vermisst.

6

Wer Leben retten will
und sich überschätzt,
wie schuldig wird der?

Wer es nicht versucht hat,
wie verächtlich ist der?

Wer in der Verantwortung steht,
kniet vor dem Erfolg.

7

Die Enden der Geschichte
kreuzen sich nicht.

Sie fügen sich zusammen.

Wer im Kreis steht,
ist der Gezeichnete.

Wer den Kreis nicht versteht
dem wird nichts gerade.

8

Kein Wissen
weiß sich selbst.
Kein Wissender
beansprucht zu wissen.
Der Anspruch, einmal erhoben,
hebt sich auf –
im Verlust
liegt der Gewinn.

9

Im Tal der Plagen
spricht dein Gewissen leise.

Nur der Ärger
weiß schon Bescheid.

Wer kein Gewissen hat,
bedient sich seiner.

10

Keine Frage: zum Täter
wird keiner geboren.
Kein Löwe
wagt diesen Sprung.

Geschrieben von: Siebgeber Ulrich
Rubrik: Der Stand des Vergessens