– Konservative Werte? Was soll das sein?
– Gott, Familienstand, Vaterland, Kanzlerin, die nächste, die übernächste, das Gewissen, die Post, der Gesundheitsdienst und die Machbarkeitsstudie, dazu mein SUV, die Straßenbeleuchtung und die Wehrbereitschaft. Darüber hinaus Ostern, der Hidschab, die Energieversorgung und allgemein die Kanalisation. Ich könnte auch die Erfolgsprämie und die Einkommenspyramide anführen, aber dann käme ich in logische Schwierigkeiten, weil sie eigentlich die Wertegrundlage bilden und daher nicht in Frage gestellt werden dürfen.
– Darf man Werte in Frage stellen?
– Unbedingt.
– Warum?
– Weil sie sonst wertlos wären.
– Das verstehe ich nicht.
– Ich auch nicht. Aber wenn ich einen Wert nicht in Frage stellen darf, wie soll ich dann beweisen, dass er es wert ist?
– Was jetzt? In Frage gestellt zu werden?
– Nein. Verteidigt zu werden.
– Und? Kannst du sie verteidigen?
– Wenn sie es wert sind.
– Willst du sie verteidigen?
– Warum? Solange ich konservativ bin, ist die Welt doch in Ordnung. Ich habe da keine Baustelle.
– Das nennt man ein aufgeräumtes Gemüt.
– Hast du ein Problem?
– Ich? Ich frage ja bloß.
– Das dachte ich mir. Scheißfrage.

 

von Lucius Garganelli / Ulrich Siebgeber   

Geschrieben von: Siebgeber Ulrich
Rubrik: Naturgeschichte der politischen Ideen