von Ulrich Schödlbauer
Am Dritten sind wir alle vereint.
Zu dem da fällt mir nichts mehr ein. Keine Sorge, ich werde mich nicht selbst Lügen strafen. Zu den Zuständen, die nur deshalb herrschen, weil niemand sie abstellt, ist aus meiner Sicht vorerst alles gesagt. Ich widerspreche nicht, wenn andere meinen, man müsse alles Gesagte immerfort wiederholen, damit es endlich ins Volk oder in die Psyche der Entscheidungsträger vordringt. Wenn ich mich nicht daran beteilige, dann deshalb, weil auch mich Pflichten binden. Damit wir uns recht verstehen: Das bedeutet keineswegs automatisch, es gäbe hier und heute Besseres zu tun. Ganz sicher bedeutet es das nicht – schon deshalb nicht, weil das da einschließt, dass nichts Besseres bleibt, gleichgültig, ob zu tun oder zu lassen. Allenfalls der Betrachtung bleibt es erlaubt, verstohlen auf ein Besseres hinzuweisen, das hinter den Kulissen oder darüber schwebt, ohne dass mit Sicherheit gesagt werden könnte, ob es sich um eine Fata Morgana handelt oder ein Inbild, denn Sicherheit – damit kehre ich auf vertrauten Boden zurück – Sicherheit existiert nirgends. Deutschland zerfällt – die Phrase ist allgegenwärtig. Auch Phrasen können wahr sein.
von Helmut Roewer
Wenn Sieger die Grenzen willkürlich verschieben, werden Bewohner, die lange friedlich zusammenlebten, plötzlich zu Außenseitern, Ausgestoßenen und Feinden. Aus diesem Reservoir pflegen sich Geheimdienste zu bedienen. Das folgende Beispiel führt uns nach Galizien. Dort wechselte in den letzten 110 Jahren vielfach die Herrschaft. Heute gehört Galizien zur Ukraine. Noch.
Ein hoffnungsvoller Anfang
Der Held dieser Geschichte heißt Basil Diduschok oder – je nach Ort, Zeit oder Betrachter – etwas anders mit Nachnamen: Diduschek oder Diduszok oder Дидушeк, und mit Vornamen: Basilius oder Wassil oder Wassilij. Er kam gut ein Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende, 1889, in Galizien zur Welt. Angaben, denenzufolge der Geburtsort in der Gegend von Lemberg lag, sind irreführend. Lemberg, das damals auch offiziell noch Lemberg und nicht Lwiw oder Lviv oder Lwow oder Lwów hieß, gehörte zur österreichischen Reichshälfte der Donaumonarchie. In deren Armee muss Diduschok seinen Wehrdienst geleistet haben und zum Reserveoffizier ernannt worden sein, denn sonst wäre es schlecht möglich, dass er auf einem Bild aus dem Ersten Weltkrieg mit den Dienstgradabzeichen eines k.u.k. Hauptmanns zu sehen wäre – es sei denn, das Bild wäre ein Fake aus späteren Jahren.
von Heinz Theisen
Wir befinden uns – so formulierte es Peter Scholl-Latour im Jahre 2009 – in der absurden Lage, dass die letzten Staatswesen der ›weißen Menschheit‹, die notfalls noch in der Lage wären, ein mächtiges Militärpotential gegen die geballte Wucht Asiens aufbieten zu können, einen »stupiden Bruderkrieg« untereinander austragen, unter Vernachlässigung ihrer existentiellen geostrategischen Interessen. (Peter Scholl-Latour, Russland im Zangengriff, Putins Imperium zwischen NATO, China und Islam, Berlin 2009, S.399) Die Zwischenrolle der Ukraine zwischen West und Ost hätte durch dritte Wege eines Föderalismus nach innen und der Neutralität nach außen überwunden und sogar ins Positive eines Brückenbaus gelenkt werden können.
von Boris Blaha
Das Bonmot stammt von Nietzsche: »Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein«. Wer diesem Blick nicht standhält, kann nicht verstehen, was auf dem Spiel steht. Wenn einer nach 25 Jahren im Ausland heute nach Deutschland zurückkommt, erkennt er sein Land nicht wieder. Im Zug bittet der Schaffner eine Gruppe von Fahrgästen, kurz auf seine weibliche Kollegin aufzupassen, er müsse nach vorne, um die nahende Ankunft in der nächsten Station durchzusagen. Ein Blick in das Gesicht seiner Kollegin verrät: Wenn sie morgens ihren Dienst im Zug antritt, weiss sie nicht, ob sie abends körperlich und seelisch unversehrt nach Hause kommt. Ist man ausgestiegen, empfangen selbst die architektonisch reizvollen Bahnhöfe den Heimkehrer mit dem Charme vermüllter Hinterhöfe, die nach Urin stinken. Die Menschen wirken gehetzt und unwillig, es herrscht eine misstrauische und unterschwellig aggressive Stimmung. Die meisten ziehen die Schultern ein.
Geschichte zwischen Fakten, ›Schwarzen Legenden‹ und Mythen
von Johannes R. Kandel
›Religion‹: ›Gerechter Krieg‹ und ›heiliger Krieg‹?
Eine allgemeine Bemerkung vorweg: Zwar lässt sich die mittelalterliche Geschichte als eine fast ununterbrochene Folge von Krieg beschreiben, aber entgegen manchen Behauptungen war im Nahen Osten zwischen 1095 und 1291 nicht immer Krieg. Der französische Historiker Jean Richard hat errechnet, dass es von 1192 bis 1291 – in der unruhigsten Phase der Lateinischen Königreiche – immerhin 80 Friedensjahre gegeben hatte. Im Vergleich dazu gab es im französischen 17. Jahrhundert nur 21 Jahre ohne wichtige Kriegshandlungen und nur 7 Jahre völligen Friedens (Die Kreuzzüge in Augenzeugenberichten, 19722, S. 18.). Es gab längere Phasen von Waffenstillständen, allerdings keine dauerhaften ›Friedensverträge‹. Ein klassischer Fall für eine friedliche Übereinkunft war der Vertrag, den Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen am 18. Februar 1229 in Jaffa mit dem ägyptischen Sultan Al-Malik Al-Kamil schloss. Der Vertrag sah die Rückgabe von Jerusalem und dem unmittelbaren Umland an die Kreuzfahrer und einen zehnjährigen Waffenstillstand vor. Bei den Christen stießen diese Vereinbarungen auf nur verhaltene Freude, während die Muslime trauerten: »Die ganze islamische Welt war tief getroffen und trauerte um den Verlust Jerusalems«, schrieb der Chronist Ibn Wāsil (Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, 1973, S. 328ff.). Die ruhigen Phasen nutzten beide Seiten für Sicherungsmaßnahmen (Festungsbau, Verstärkung von Stadtmauern, etc.) und Aufrüstung für die nächsten Kämpfe (Kriegstechnik, Rekrutierung neuer Truppen). Al-Kamil war schon vorher mehrfach zu Zugeständnissen bereit gewesen, insbesondere als der Fünfte Kreuzzug 1218-1221 Ägypten bedrängte und er zu dieser Zeit mit innerislamischen Kämpfen zu tun hatte. Es war somit keineswegs sein generöser Friedenswille, der ihn veranlasste, Friedenstauben aufsteigen zu lassen. Die Kreuzfahrer hatten alle Angebote zurückgewiesen, weil sie ihren strategischen Zielen zuwiderliefen. (Tyerman, God’s War, 2007, S. 639).
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